Carl Maria von Weber an Hinrich Lichtenstein in Berlin
Dresden, Donnerstag, 18. Oktober 1821
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- 1821-10-27: von Lichtenstein
Dein lieber Brief vom 4t huj: hat mich sehr freudig überrascht, da ich so bald noch nicht auf Nachricht von dir gehofft hatte. ich weiß wie es geht wenn man so zurükkomt, und du hast glühende Kohlen auf mein reuiges Haupt gesamelt. das Kranksein deiner armen Victoire in Leipzig war ja recht fatal, hätte Sie das lieber noch bei uns abgemacht, so hätten wir euch doch ein paar Tage länger gehabt. Es war mir recht einsam und leer zu Muthe wie Ihr weg wart. Stehe gar zu allein hier. die mancherley DienstVerdrießlichkeiten* die schon bei deiner Anwesenheit gährten, haben einige tüchtige Explosionen verursacht; nun ist die Luft wieder rein und klar vor der Hand, nur muß ich es immer hinterher bezahlen. Seit 8 Tagen hüte ich das Zimmer. Gestern habe ich mir einen Bakzahn ausreißen laßen*. Sobald ich nur wieder ein bischen Ruhe habe geht es auch schon wieder, und in den 8 Tagen habe ich ein paar recht frische lustige Musikstükke in die 3 Pintos gemacht*, denen man hoffentlich die Zahn Operation nicht ansehen soll.
Die Geschichte mit Spontini* ist merkwürdig. Wenn du erfahren kannst wie Brühl sich dabei nimmt, so schreibe mir es doch. Gott kann ich danken daß der Freyschütz so weit ist. in Wien* gehen s‡ie aber schön mit ihm um; vom Hörensagen* habe ich daß man 2 Kleinigkeiten herausgestrichen habe, nehmlich blos den Samiel und das Kugelgießen.! – ! – ! wenn ich nun auch gleich hinschreibe*, komme ich doch wahrscheinlich mit meiner Protestation zur Aufführung zu spät. Nun, etwas müßen sie doch substituirt haben. Gott gebs gnädig – auf Sonnenschein folgt Regen.
Die Koch hunze mir tüchtig aus, daß Sie mir gar nicht geantwortet hat. ich weiß nicht woran ich bin mit meinem Bilde, im Laufe 8br müste ich es noch haben*.
Mit Lina geht es ziemlich gut, nächstens wird ihr etwas Blut abgezapft, wofür sie großen Respekt hat. Sie grüßt herzinnigst mit mir, dich und deine liebe gute Victoire. Hellwig ist krank – wahrscheinlich giebt er die Regie ab*. sage aber den S‡einigen noch nichts davon.
Alle Freunde grüße herzlichst und behalte lieb, deinen
dich innigst liebenden
W:
Dresden d: 18t 8b 1821.
Apparat
Zusammenfassung
bedauert, dass Lichtensteins nicht länger in Dresden geblieben wären; erwähnt Dienst-Verdrießlichkeiten, Zahnoperation, Arbeit an Pintos, „Geschichte mit Spontini“, Zensur des Freischütz in Wien, Krankheit Hellwigs u. Privates
Incipit
„Dein lieber Brief vom 4t huj: hat mich sehr“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Überlieferung
-
Textzeuge: Leipzig (D), Leipziger Stadtbibliothek – Musikbibliothek (D-LEm)
Signatur: PB 37 [Nr. 32]Quellenbeschreibung
- 1 Bl. (2 b. S. einschl. Adr.)
- Papiersiegelrest
- PSt: DRESDEN | 18. Oct. 21
Dazugehörige Textwiedergaben
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Rudorff: Westermanns illustrierte deutsche Monats-Hefte, 44. Jg. (1899), 87. Bd., S. 175
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Rudorff 1900, S. 101–103
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tV: MMW II, S. 345–346 (unter 18.8.)
Textkonstitution
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„s“„S“ überschrieben mit „s“
-
„S“„s“ überschrieben mit „S“
Einzelstellenerläuterung
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„DienstVerdrießlichkeiten“Weber spielt hier zum einen auf seine Auseinandersetzungen mit J. A. Miksch bezüglich der Chorsängerin Hanf an; vgl. dazu den Kommentar zum Brief von Weber an Miksch vom 11. Oktober 1821. Zum anderen bezieht er sich vermutlich auf den Ärger mit dem Musiker Peschke (fraglich, welcher der Namensträger), der im Tagebuch am 20. September und 11. Oktober 1821 erwähnt ist.
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„Musikstükke in die 3 Pintos gemacht“Weber hat am 15. Oktober das Duett Gaston/Ambrosio „Nun da sind wir“ (Nr. 7) und am 18. Oktober 1821 das Duett Inez/Gaston „Wir, die den Musen dienen“ (Nr. 4) entworfen, vgl. Tagebuch.
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„Geschichte mit Spontini“Vgl. Kom. Brief von Weber an Brühl vom 18. Oktober 1821.
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„in Wien“Zu den Eingriffen der Wiener Zensur in den Freischütz vgl. Kom. Brief von Weber an Kind vom 15. Oktober 1821.
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„Hörensagen“Weber hat seine Informationen wahrscheinlich aus einem Brief von Johann Grünbaum, vgl. Tagebuch, 14. Oktober 1821 bezogen.
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„gleich hinschreibe“Vgl. Brief von Weber an Mosel vom 26. Oktober 1821.
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„… müste ich es noch haben“Weber erwartete sein von Caroline Bardua gemaltes Porträt, das er seiner Frau Caroline am 4. November (beider Namens- und Hochzeitstag) schenken wollte; vgl. den Brief an F. Koch vom 21. September 1821.
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„… giebt er die Regie ab“Hellwig war bislang alleiniger Regisseur am Dresdner Hoftheater gewesen; vgl. Taschenbuch für Schauspieler und Schauspielfreunde, hg. von Wenzel Lembert, Jg. 1821 (erschienen 1820), S. 303 und Jg. 1822 (erschienen 1821), S. 432. Er blieb zwar in dieser Position, ihm wurden nun allerdings zwei weitere Regisseure zur Seite gestellt: Julius und Werdy; vgl. ebd., Jg. 1823 (erschienen 1822), S. 352 sowie Literarisches Conversations-Blatt, 1822, Nr. 6 (8. Januar 1822), S. 22. Eine entsprechende Beratung fand laut Tagebuch am 16. Oktober 1821 statt.