Carl Maria von Weber an Hinrich Lichtenstein in Berlin
Dresden, Montag, 6. Januar 1823

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S. Wohlgebohren

dem Herrn Profeßor Dr:

Hinrich Lichtenstein

Direktor des zoologischen Museums pp

Berlin

Das war ein schöner Jahresschluß, mein theurer Bruder! der mir mit deinem lieben Briefe vom 29t Xb 22 an einem ganz ungewöhnlichen Posttage kam.      Du hast mich so ausführlich und dettaillirt unterrichtet daß ich den Abend recht mit euch durchleben konnte*, was ich denn auch durch wiederholte Lesung deines Briefes schon einigemal gethan habe. Wie zu vielem Danke bin ich allen meinen Freunden durch diese Liebesbezeugung aufs neue verpflichtet.      Aber wem mehr, oder beßer, so viel, als dir, mein vielgeliebter Freund. Ich weiß nur zu gut welcher Zeitaufwand und rastlose Thätigkeit dazu gehört, selbst bei der größten Bereitwilligkeit von allen Seiten, so etwas zu Stande zu bringen. und zwar so, daß alle zufrieden sind, und ganz ungetrübt man sich der Freude hingeben kann. Ein Anderer als du, brächte das aber auch nicht zu Stande.      Gott lohn es dir mit gleicher Freude an den deinigen, wozu ich mich stark zähle, als gewiß in Liebe dir zunächst stehend.

Es war schade daß die neue Dekoration nicht fertig wurde*, und dadurch das Ganze den Charakter einer öffentlichen Feyer verlohr.      aber freilich, einem Ballet muß alles weichen*. ich bin überzeugt daß Brühl sehr unzufrieden darüber war.      Seit Empfang deines Briefes habe ich 2 Posttage vorbei gehen laßen, um dir vielleicht von Brühl etwas mittheilen zu können. Er hat mir aber noch nicht geschrieben, und wird es nun, wohl auch nicht mehr thun.

Der Jägerchor wird in Breslau stets auf diese Weise ausgeführt. Es mag sich allerdings recht nerwig ausnehmen.

Das Lied von Spiker ist recht schön, ich lege dir hier ein paar Zeilen an ihn bei.      Freue mich innig daß mein kleiner Zuruf so herzlich aufgenommen wurde. Er kam wenigstens gewiß aus dem Herzen.      Auf das Kielemannsche Lied* bin ich sehr begierig, alles was Er macht trägt den unverkennbaren Stempel einer so pikanten als geistvollen Liebenswürdigkeit.      Ich verlebte den 28t mit Proben, einem recht angenehmen Dinèr bei Gr: Kalkreuth und Abends in einem verruchten Concerte der Mad: Czeka aus Prag. das mit der Ouvert: des Freyschützen anfiengT, und in dieser Hinsicht mich nach Berlin führte.      dann saß ich Abends still mit meiner Lina allein, und gedachte Eurer in Liebe.

Vor, und nach, dem Neujahr, ist dann eine entsezliche Zeit. und jezt hoffe ich wieder etwas Ruhe zu gewinnen, und mit neuer Kraft an die verlaßene Euryanthe zu gehen.      die Wiener haben sich darein ergeben, sie diesen Winter nicht zu | erhalten, und der August ist zu meiner Hinreise bestimmt, um sie Ende 7b in Szene gehen zu laßen.      Mit Spontinis Aufführung der Olimp: in W: ist es auch in weitem Felde. sie schreiben mir darüber daß sie fürchten, das Kärntnerthor Theater um 7/8tel vergrößern zu müßen — —

Ich weiß nicht wer mir gesagt hat du reisest nach München. kannst du denn gar nicht wieder einmal Dresden berühren?

Wenn Robert noch nicht bei dir war, so wird er kommen. Er hat mir’s hier versprochen* dir zu erzählen von meinem Treiben und leben. Es ist ein guter und sehr geistvoller Mensch.

Nun lebe wohl für heute. Muß in die Kirche.      Lina und ich umarmen Euch herzlichst.      Max hat seinen 2t Zahn zu Neujahr gebracht; und ist gesund. Gott erhalte deinem Hause auch vor allem Gesundheit, und behaltet lieb, Euren ewig treuen dankbaren Weber.

Apparat

Zusammenfassung

dankt Lichtenstein für seinen Einsatz bei der 50. Freischütz-Aufführung in Berlin; Brühl habe ihm noch nicht geschrieben; lobt ein Lied von Spiker und legt einige Zeilen an ihn bei; ist neugierig auf Kielemanns Lied; über die vergangenen Tage; Wien sei nun mit Euryanthe-Aufführung im August einverstanden; Spontinis Olympia mache in Wien Schwierigkeiten; Robert werde ihm weiteres erzählen; Privates

Incipit

Das war ein schöner Jahresschluß, mein theurer

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Leipzig (D), Leipziger Stadtbibliothek – Musikbibliothek (D-LEm)
    Signatur: PB 37, (Nr. 41)

    Quellenbeschreibung

    • 1 DBl. (3 b. S. einschl. Adr.)
    • PSt: DRESDEN | 6. Jan. 23.

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Rudorff: Westermanns illustrierte deutsche Monats-Hefte, 44. Jg. (1899), 87. Bd., S. 180–181
    • Rudorff 1900, S.120–123

Textkonstitution

  • „nerwig“unsichere Lesung
  • d„w“ überschrieben mit „d

Einzelstellenerläuterung

  • „… recht mit euch durchleben konnte“Feier anlässlich der 50. Freischütz-Aufführung der Königlichen Schauspiele in Berlin am 28. Dezember 1822.
  • „… neue Dekoration nicht fertig wurde“Der Sänger Karl Adam Bader notierte in seinem Tagebuch, der Freischütz sei erst am 2. Februar 1823 mit einer „neue[n] Wolfsschlucht […] von Gropius“ gegeben worden.
  • „… einem Ballet muß alles weichen“Vermutlich sind die Vorbereitungen für die Aufführung des einaktigen Balletts Cephalus von Albert Lauchery mit Musik von Calcara gemeint, das am 2. Januar 1823 in Berlin Premiere hatte; vgl. AmZ, Jg. 25, Nr. 8 (19. Februar 1823), Sp. 131.
  • „… Herzen. Auf das Kielemannsche Lied“Lied zur Feier der 50. Freischütz-Aufführung in Berlin „Sagt an, wem gilt der Preis der Lieder“.
  • „… Er hat mir's hier versprochen“Das Ehepaar Robert hatte sich vor seiner Abreise aus Dresden laut Tagebuch am 19. Dezember 1822 von Weber verabschiedet.

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