Carl Maria von Weber an Hinrich Lichtenstein in Berlin
Dresden, Donnerstag, 23. Dezember 1824

Zurück

Zeige Markierungen im Text

Absolute Chronologie

Vorausgehend

Folgend


Korrespondenzstelle

Vorausgehend

Folgend

S. Wohlgebohren

dem Herrn Profeßor Dr: Lichtenstein

Director des zoologischen Museums

pp

zu

Berlin

Mitten unter deinen und der deinigen Leiden hast du Zeit und Lust gefunden mein geliebter Bruder dich mit mir zu beschäftigen, und zwar so ausführlich und klar darlegend, daß es mir eben so viel Freude über deine Liebe, als Dankbarkeit für die daraus für mich hervorgehende Belehrung erwekt.      In allem und jedem bin ich vollkommen mit dir einverstanden, bis auf die Londoner Angelegenheit über die ich mir selbst noch nicht klar bin.      die Gründe die du mit Logier anführst sind zwar sehr wichtig, aber dem läßt sich wieder entgegen setzen daß es mir auch höchst vortheilhaft für den sicherern Erfolg meines neuen Werkes wäre, wenn ich Lokale, Sänger, und die ganze Art und Weise des englischen Theatertreibens kennen lernte ehe ich dafür schreibe*.      Alles hängt davon ab was Kemble selbst darüber äußert und das ich dir sogleich mittheilen werde.      Noch bin ich ohne Nachricht. Treibe aber immer das Englische mit Ernst fort. das raubt mir auch ein paar Stunden täglich*.      Von Paris aus bohrt man auch wieder bei mir anT, ich bin aber eben so vorsichtig als diese Herren, und kome nicht ohne bestimmt gerufen zu sein.

Es freut mich sehr daß du mit meiner Abend Zeitung Berichtigung zufrieden bist. laß mich bald wißen was die Leute in Berlin dazu sagen. Es ist wirklich unbegreifflich daß bis jezt noch nichts an mich gelangt ist was darauf bezug hätte.      Ich habe dir also nichts von meiner Zusammenkunft mit Brühl geschrieben?      d: 2t huj: war er bei mir. ich bat ihn künftig meiner nicht zu zürnen wenn ich genöthigt sein sollte den Intendanten in ihm scheinbar anzugreiffen. Namentlich wegen des Zurükschikkens der Euryanthe von der Er mir nichts gesagt, Spontini mir es aber als des F. Wittgenst: Befehl mitgetheilt habe*.      hierauf erwiederte Br: ich solle in Gottes Namen immer thun was ich für nöthig fände, er würde immer von meiner treuen Freundschaft überzeugt sein.      das Zurükschikken der Euryanthe wäre ja gar nicht angegangen da Er sie früher schon bestimmt habe. Er, Brühl, sezze nun einen Ehrenpunkt daran die Oper zu geben wenn Spont: nicht da seye, da dieser bald einen 9 monatlichen Urlaub antrete.      über die neue Spiegelfechterey im Freymüthigen* war er auch höchst erbittert.      dabei beschwor er mich ihn nicht zu verlaßen, und keine Verbindung mit dem Königsstädter Theater einzugehen, was diese mir böten gäbe er auch, u: s. w:      das ist alles schön und gut. aber ich höre daß man Brühls Abwesenheit sehr benuzt, seinen Einfluß zu untergraben, und daß er vielleicht doch endlich seine Stelle niederlegen werde.      das alles wirst du nun in loco beßer erfahren.      Auf eine Poße oder sonstige Kleinigkeit möchte ich mich wohl dort einlaßen, von der anderen Seite scheint es mir wieder | Unrecht wenn ich von Brühl abspringe, da seine Macht im sinken ist.

Mit den Pintos ist es ein eigen Ding. auf jeden Fall suche ich sie diesen Winter zu beendigen. ich habe sie aber zunächst meinem Herrn versprochen, der es, so viel ich merke, allerdings nicht ganz gut aufnimmt daß ich immer für fremde Bühnen zuerst arbeite.     die Oper muß also hier zuerst gegeben werden, und wir — können sie nicht besezzen, — so wie sie überhaupt wegen der Männerparthien schwer zu besezzen ist.

Gewiß, geliebter Bruder, will ich deinem Rathe folgen, und arbeiten so bald es mir nur irgend möglich ist. aber es ist leichter gesagt als gethan, und ich muß das Beste von des Himmels Beistand hoffen.

Nachträglich muß ich noch zu deiner Notiz anführen, daß allerdings Schleßinger mir sogleich unterm 9t 9ber den Erfolg jenes Dinérs mittheilte, und sich damit als seinem Werke groß machte. worauf ich ihm antwortete (d: 14t 9b) „ich muß mir aber von Ihnen die Erlaubniß erbitten, allein meinen Glauben an alles Gute was für diese Oper geschehen soll, bis nach erfolgten Thatsachen vertagen zu dürfen.[] — darauf erschienen dann die sauberen ZeitungsArtikel u: s: w:

Was du mir über das umsichgreiffen des Roßinianismus, und der lauen Stimmung der Sänger gegen Eury: schreibst, ist sehr betrübend.

Wahrlich wenn du sähest wie diese Oper bei unserm kalten Publikum eine Enthusiasmus und Kaßa Oper ist. — — Geduld. — Brühl meinte, Stümer müße den Adolar gutwillig herausgeben*. Sprich doch bald einmal mit ihm.

Mit meiner Frau geht es Gottlob beßer. wahrscheinlich trifft ihre Niederkunft mit Viktorins zusammen*.      Gott gebe es gnädig!!! Laß mich ja bald etwas beruhigendes über den Gesundheitsstand deines Hauses wißen; nur 2 Worte.      Für heute heißtes schließen. Gott erhalte Euch froh, und mir deine Liebe. Ewig dein treuliebender Bruder
CMvWeber

Apparat

Zusammenfassung

berichtet über London-Pläne, er lerne bereits Englisch; Paris würde auch anfragen; Euryanthe-Affaire in Berlin; neue Aufführungspläne Brühls während Abwesenheit Spontinis; Problematik der Drei Pintos, die im Winter fertiggestellt und in Dresden uraufgeführt werden sollten; dort jedoch Besetzungsschwierigkeiten; Privates

Incipit

Mitten unter deinen und der deinigen Leiden hast Du

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Leipzig (D), Leipziger Stadtbibliothek – Musikbibliothek (D-LEm)
    Signatur: PB 37 (Nr. 67)

    Quellenbeschreibung

    • 1 DBl. (3 b. S. einschl. Adr.)
    • PSt: DRESDEN | 23. Dec. 24

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Rudorff: Westermanns illustrierte deutsche Monats-Hefte, 44. Jg. (1899), 87. Bd., S. 386–387
    • Rudorff 1900, S. 219–222

Textkonstitution

  • „… als diese Herren , und“möglicherweise durch Überschreibung aus „nict“ korrigiert
  • „… Spont : nicht“am Wortende Verbesserung
  • „allein“durchgestrichen

Einzelstellenerläuterung

  • „… lernte ehe ich dafür schreibe“Bereits im vorhergehenden Brief an Lichtenstein vom 9. Dezember 1824 hatte Weber die Überlegung geäußert, vor der Komposition des Oberon zunächst nur zum Dirigieren eigener Bühnenwerke nach London zu reisen, wie er vor der Uraufführung der Euryanthe (1823) bereits 1822 nach Wien gereist war. Davon hatten Lichtenstein und Logier offenbar abgeraten.
  • „… auch ein paar Stunden täglich“Seit dem 2. Oktober 1824 nahm Weber englische Sprachlektionen bei J. P. Carry, ab dem 10. November parallel dazu auch bei C. Lüdger.
  • „… F. Wittgenst: Befehl mitgetheilt habe“Vgl. die Schreiben Wittgensteins an Spontini und Brühl vom 13. Juni 1824.
  • „… die neue Spiegelfechterey im Freymüthigen“Vgl. die Ankündigung in Nr. 233 des Freimüthigen vom 20. November 1824, nach der die Euryanthe im Karneval 1825 in Berlin zur Aufführung kommen solle und Spontini zu diesem Zweck den preußischen König ersucht habe, Weber als Dirigenten einzuladen; s. a. Albert Maecklenburg in der Zeitschrift für Musikwissenschaft 1924, S. 449.
  • „… müße den Adolar gutwillig herausgeben“In der Berliner Euryanthe-Erstaufführung sang Karl Adam Bader anstelle von Stümer den Adolar.
  • „… ihre Niederkunft mit Viktorins zusammen“Ernst August Wilhelm Lichtenstein wurde am 10. Januar 1825 geboren, Alexander von Weber bereits am 6. Januar.

    XML

    Wenn Ihnen auf dieser Seite ein Fehler oder eine Ungenauigkeit aufgefallen ist,
    so bitten wir um eine kurze Nachricht an bugs [@] weber-gesamtausgabe.de.