Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Prag (Fragment)
Berlin, Samstag, 27. August 1814 (Nr. 15)
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Bald müßte ich meinen Brief auch so anfangen wie du den deinigen vom 20t huj: No: 14, und mich entschuldigen daß ich vor Geschäften nicht zum schreiben kommen könnte, denn ich sizze hier in einer TeufelsUnruh, Spektakel und Lärm, es wird nehmlich die Treppe im Hause abgerißen und geändert, und 2tens wollen die Leute Heute alle Geld von mir haben, da ich Gestern welches eingenommen. Gott sey es 1000mal gedankt, daß diese 3 Tage vorüber sind, ich bin so erschöpft und angegriffen, daß ich ganz heiser bin und Halsweh habe. Wie ich denn immer alles, wo andere nur zulangen dürfen, mit unsäglicher Mühe und Noth erringen und erkämpfen muß, so gieng es mir auch jezt, troz der größten Bereitwilligkeit von allen Seiten. d: 23t Abends war ich bey Sebalds in Gesellschaft, und spielte und sang sehr viel. d: 24t war ein stürmischer Tag, der Wagen ließ mich sizzen, und dann der Buchdrukker mit den Zetteln die ich zu den Visiten beym König, Prinzen pp haben mußte, ich fuhr darnach endlich, und verfehlte sie, wie ich ihrer zulezt habhaft wurde, so fuhr der König in dem Augenblik da ich am Palais* anlangte weg. ich, ihm nach, nach Charlottenburg. Da war er spazieren und nicht zu finden. ich wieder herein Zum Kronprinzen, der mich mit der ausgezeichnetsten Güte und Artigkeit empfing. Dann zu den übrigen Prinzen und Prinzeßinnen bis ½ 4 Uhr. Dann zu Tische bey Beers. Darauf mit Mad: Schulz gesungen, und endlich um 12 Uhr ins Bett. d: 25t verfehlte ich den König abermals 2mal. Hatte dann Probe von 10–2 Uhr. Aß bey Lauska. und fuhr um 6 Uhr nach Schönhausen zu Brosens, wo große Gesellschaft war, und ich viele intereßante Petersburger Bekanntschaften machte, selbes auch mit vielem Guittar Geklimper und singen bezahlen mußte. d: 26t Vormittags hatte ich noch eine Menge Visiten zu machen, Einladungen, und andre Arrangements, speiste bey Beers mit dem GroßKanzler pp und fuhr um 6 Uhr ins Theater wo dann endlich um 7 Uhr mein Concert los gieng wie du aus beyliegendem Zettel ersehen kannstT. ich hatte ein höchst auserlesenes, zahlreiches und dankbares Publikum, und empfand einmal wieder was es ist, mit Enthusiasmus aufgenommen zu werden, und Orchester und Sänger mit so vieler Liebe und Eifer arbeiten zu sehen. | Nach meiner Phantasie, worin ich ein Lieblings Lied von dem seeligen Himmel verwebte, wollte der Lärm kein Ende nehmen, und fieng immer wieder von neuem an, so lange ich auf dem Orchester sichtbar war, so daß ich mich unter lauter Büklingen retirirte. Dann waren Lichtenstein und noch einige gute Freunde mit mir zusammen beym Soupée, und um 2 Uhr lag ich endlich Hunde müde im Nest.
Die Einnahme war recht schön, doch weiß ich noch nicht genau wie viel da noch nicht alles eingegangen ist. Es war viel voller als bey Romberg*, und das schönste Concert seit langer Zeit. alle Prinzen und Prinzeßinnen da pp
Die Unkosten verbittern einem das Leben, da sie so enorm sind, denke ich habe gegen 60 Ducaten in Gold Unkosten. das will eingenommen sein. doch ich bin sehr zufrieden daß alles so gut gieng und die Leute wieder eine Weile an mich denken werden. ich verspare mir aufs Mündliche eine Menge Details darüber.
Dem Himmel sey Dank und Lob, daß deine Stimmung heiterer ist, und ich beruhigt an mein theures liebes Mukkerl denken kann. Das war ja das einzige was ich noch wünschte und von Gott erbat. Wenn ich dich froh und glüklich weiß, so habe ich für mich keinen anderen Wunsch mehr. Du nennst die Allr: klug weil sie troz W: Untreue lacht? – Das ist ganz natürlich, Sie liebte ihn nicht. Durch Klugheit läßt sich das Lachen nicht erzwingen. Der gute Pudel leuchtet mir hier eben so gut vor als wie in Liebwerda und überall wo ich sein werde. Die schönen Berlinerinnen sind mir nicht gefährlich, denn die Lina sizt im Herzen und läßt Niemand ein. Es ist ordentlich Merkwürdig und ein eigner Beweiß für ein recht erfülltes Herz, daß so gar nichts auch nur die geringste Aufmerksamkeit zu erregen im Stande ist, und so unbedeutend und gleichgültig an einem vorbey wandelt, als ob es Schatten und Bäume wären.
Du hast mich Unrecht verstanden in Hinsicht der Brief Beantwortungen, ich meynte damit Geschäfts Sachen, und nicht Dinge die nicht genug ins Meer der Vergeßenheit versenkt werden können. Ich habe Briefe von Liebich und Clam erhalten. Grüße beyde bestens von mir, da ich Heute nicht dazu kommen kann zu antworten. Auch giebt es nichts Neues als daß Iffland vorgestern angekommen ist. Er ist eigentlich schon todt, und sein Körper bewegt sich nur noch unnüzzer | Weise auf der Erde herumT. Alles ist auf den Wechsel der Dinge gespannt, aber Niemand weiß etwas bestimmtes. Bey meiner Abreise bleibt es vor der Hand noch fest, und nur die Aufführung der Silvana könnte mich um 2–3 Tage länger halten*.
[Schluss fehlt]
Apparat
Zusammenfassung
Bericht über Berliner Abendgesellschaften, Hofaudienzen, sein Konzert am 26. August; Prager Interna
Incipit
„Bald müste ich meinen Brief auch so anfangen“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Überlieferung
-
Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
Signatur: Mus. ep. C. M. v. Weber 48Quellenbeschreibung
- 1 Bl. (2 b. S. u. 4 angeklebte Zeilen)
- Siegelrest
- Rötelmarkierungen von Max Maria von Weber
- urspr. 1 DBl., Bl. 2 bis auf 4 Zeilen von Max Maria Weber abgeschnitten und verschenkt
- am unteren Rand von Bl. 2r Schenkungsvermerk von Max Maria Weber: „noch ca. 10 Zeilen unbedeutendes Herrn C. Servas in Cöln geschenkt. 30.8.[18]67“
Provenienz
- Weber-Familiennachlass
Dazugehörige Textwiedergaben
-
Muks, S. 98–101 (Nr. 15)
Themenkommentare
Einzelstellenerläuterung
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„… Augenblik da ich am Palais“Der König bewohnte auch nach seiner Krönung überwiegend das Kronprinzenpalais Unter den Linden, das 1797 bis 1840 als Königliches Palais bezeichnet wurde.
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„… viel voller als bey Romberg“Zum Konzert von Andreas Romberg am 29. Juli 1814 im Konzertsaal des Schauspielhauses in Berlin vgl. u. a. die Anzeigen in den Berlinischen Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen, 1814, Nr. 89 (26. Juli) und Nr. 90 (28. Juli) sowie die Berichte ebd., Nr. 92 (2. August) und in AmZ, Jg. 16, Nr. 34 (24. August 1814), Sp. 571f.
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„… um 2–3 Tage länger halten“Weber überwachte die Wiederaufnahmeproben zur Oper vom 2. und 4. September und besuchte die Vorstellung am 5. September; vgl. die nachfolgenden Briefe.