Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Prag
Berlin, Samstag, 3. September 1814 (Nr. 17)

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An

Mademoiselle

Carolina Brandt.

Sängerin des Ständ: Theaters

zu

Prag.

Meine gute theure Lina!

Wie unendlich freudig mich dein lieber, lieber Brief vom 23t August No: 15, überrascht hat, kann ich dir nicht genug sagen, da ich schon gänzlich auf die Freude Verzicht gethan hatte, Hier noch einen von dir zu erhalten. ich gieng Abends ganz gleichgültig an den Tisch auf dem die angekommenen Briefe liegen, und besah sie beym Mondschein während Lichtenstein Licht schlug, – eben so gleich gültig bis ich an deinen kam, der mich so sehr überraschte und wo nun freylich Lichtenstein über meine Ungeduld Licht zum Lesen zu haben herzlich lachte. ich ließ ihn aber lachen und war recht innig froh.      Zugleich muß ich aber doch sagen daß deine Briefe seit einiger Zeit, ungewöhnlich lange unterwegs sind, Z: B: dieser 9 Tage.      ich hoffe nicht daß etwas dahinter stekt als gewöhnliche Postconfusion, kann aber doch zuweilen einen kleinen Argwohn nicht unterdrükken.      Es thut mir recht leid, daß die Kluft zwischen dir und der B: sich täglich vergrößert. doch begreiffe ich es recht gut, habe es wenn du dich errinnerst von Anfang an prophezeit, mich aber später durch deine Behauptungen und Versicherungen auf andere Meynung bringen laßen. ich bedaure Sie und Ihren Neum: von Herzen, denn beyde sind im Grunde gut, ohne doch für einander zu paßen. daß Sie blos um des H: Direktors willen sich an dich gekettet hat, glaube ich nicht, aber ihre Plaudersucht und daraus entstehender Verdruß ist unläugbar.

Du bist recht gut liebes Mukkerl, mir etwas zum Verdienst anzurechnen, das einer wahren Zuneigung so leicht wird, ja ihr allein möglich ist und ich bin überzeugt meine Lina würde im umgekehrten Falle wohl eben so gegen mich gewesen sein, obwohl sie mir einmal mit strengem Gesichte verbot sie zu nekken. Meine Stimmung ist recht ruhig und gut, und meine Gesundheit befestigt sich täglich mehr. Wenn also der Himmel nicht noch besondere Unglüksfälle über mich ausschüttet, so hoffe ich meiner Lina ein gesundes, frohes Gesicht zurük zu bringen das erst in Ihrer Nähe zur vollendeten Freude und Heiterkeit sich aufklären wird.      Wegen einer Oper zu deinem Benefiz halte ich Aschenbrödel immer für das Beste. Doch wird sich das schon finden wenn ich da bin.      Neues giebt es überall Nichts. Es ist ein wahrer Jammer und eine Ausgestorbenheit in der KunstWelt wie lange nicht war. Die Nachricht von meinem ConcertT hast du nun schon durch meinen lezten Brief erhalten. hier lege ich dir zum Lesen vor dem Schlafengehen, noch ein paar Rezens: aus hiesigen Zeitungen bey, und behalte mir eine Anzahl kleiner Details aufs mündliche vor.

Also überrascht will Mademoiselle nicht sein? Damit ich nicht hinter ihre Schliche kome? — o, ich werde alles erfahren, alles, und dann wehe ihm, ich — — küße Sie wenigstens zu Tode. Ja ja Mukkerl nim dich nur in acht, ich will Dir ja gern schreiben wann ich kome, — wenn ich es nehmlich erst selbst weiß. So viel weis ich daß Uebermorgen Silvana ist, und ich aus dem Theater in den Wagen steige um keine Zeit zu verlihren. — Nun zum unterthänigsten Bericht.

d: 30t Abends auf der LiederTafel wurde mein Lied das Turnier Bankett, gesungen, und meine Gesundheit mit allgemeinem Jubel getrunken so daß ich den Leichnam erst um 2 Uhr ins Bett brachte*. d: 31t wohnte ich der Probe von Rombergs Concert bey. Mittag mit Lichtenst: und Jordans* bey der Koch. dann Visiten geschnitten um 6 Uhr ins Theater, Die Fischer bey Colberg. gefiel ziemlich ist aber lang und breit und ganz local*. dann noch mit dem Componisten in Gesellschaft bey Gabains.      D: 1t Sept: AbschiedsVisiten und Paß laufereyen pp. Mittag bey Beers. Abends Rombergs Concert*, sehr voll und gebührender großer Beyfall. Dann bey Gern soupirt.

d: 2t war der Teufel los mit Besuchen bey mir, so daß ich kaum die nothwendigsten Dinge besorgen konnte. Mittag zu Hause – um 3 Uhr Probe von einem Liede von mir, um 4 Probe von Silvana bey Gern.      Abends große Gesellschaft beym Geh: StaatsRath Jordan, wo ich viel und gut spielte. ich war gut disponirt. bey Tische sangen wir das 4stimige Lied daß ich für den Tag /: seinen Geburtstag :/ comp: hatte. welches ihn sehr überraschte, und seiner Frau sogar Thränen der Rührung kostete. es gieng auch recht gut.      Romberg* war auch da, und man hätschelte mich nicht wenig. Besonders war Fürst Hardenberg wieder sehr gütig.      Heute Morgen, war Theater Probe von Silvana von 9–1. Dann habe ich schnell gegeßen, um mit meinem Mukkerl ein 4tel Stündchen plaudern zu können, und dann muß ich mich wieder in Glanz werfen, zu der Gräfin von der Groeben. So geht das Schlag auf Schlag und was das für Zeit frißt, ist unglaublich, ich stehe alle Morgen vor 7 Uhr auf, obwohl ich selten vor 2 Uhr schlafen gehe, und kann doch nicht zum arbeiten kommen. Dazu giebt es so vielerley langweilige Geschäfte die Zeit freßen und doch nichts heißen, Z: B: die Correctur, von meinen Sachen die hier gestochen werden besorgen ppp     Dieß ist der lezte Brief den | mein Mukkerl von hier be[kommt, der nächs]te ist dir schon näher aus Leipzig, wo ich mich aber sehr kurz expe[diren] werde, So wie ich überhaupt überall die Nächte zu Hülfe nehme um Zeit zu gewinnen. Marode und Müde werde ich aus diesem ewigen Strudel von Arbeit, laufen, und Ein und auspakken in Prag ankommen um mich da bey neuer Arbeit auszuruhen. Welch ewiger Kreißlauf von Anstrengungen und Thätigkeit ist doch mein Leben. Soll da nicht die Maschine bald zu Grunde gehn? Was anderen Menschen Strapaze ist, das Reißen selbst, wird mir zur Erholung, da es die ruhigsten Augenblikke sind wo ich mir doch selbst gehöre, und die Menschen keine Prätension an mich machen. Manchmal ist es unerträglich wie man durch diese Beweise von Achtung und Andrängen, Bitten pp Ehrenbezeugungen und dergl: gequält wird, und die Geduld so reißt daß man alle maßakriren könnte. Aber das sind imer Augenblikke wo man so rabbiat wird. Der Künstler ist einmal zum Märtirer des geselligen Lebens erkohren, und wohl dem der seine Bestimmung erfüllt.

Ey, da bin ich ja ganz ins Philosophieren gerathen, statt daß ich den LaufZettel auf die Post geschrieben habe. Nun das will ich denn auch schnell thun, denn es dient ja dazu, mich meinem Mukkerl um so viel Näher zu bringen.

Lebe wohl mein liebstes Leben.      Grüße die Mutter bestens, alle Bekannten dito, und dir sage [ich] daß nur du in mir lebst und daß mit der innigsten Liebe und Treue deiner gedenkt dein Carl.

Apparat

Zusammenfassung

Postverkehr und Prager Interna betreffend; Berliner Aktivitäten (Liedertafel, Theater, häusliche Kreise); Silvana-Proben; Reisepläne; Erschöpfung durch zahllose Verpflichtungen

Incipit

Wie unendlich freudig mich dein lieber, lieber Brief

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Mus. ep. C. M. v. Weber 49

    Quellenbeschreibung

    • 1 DBl. (4 b. S. einschl. Adr.)
    • Siegelrest
    • Textverlust durch Siegelloch
    • Rötelmarkierungen von Max Maria von Weber

    Provenienz

    • Weber-Familiennachlass

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Muks, S. 105–109 (Nr. 17)

    Einzelstellenerläuterung

    • „… 2 Uhr ins Bett brachte“In den Protokollen der Liedertafel ist diese Veranstaltung nicht bezeugt; dort findet sich lediglich ein Treffen am 30. Juli 1814 (Vorfeier zum Geburtstag des Königs am 3. August), an dem Tag war Weber allerdings noch nicht in Berlin, sondern auf dem Weg dahin (zwischen Liebwerda und Görlitz); vgl. Chronik 1814 .
    • „… Mittag mit Lichtenst: und Jordans“Vermutlich Pierre Antoine und Pauline Jordan, infrage kommen aber auch Pierre Jean und Wilhelmine [Friedel]-Jordan oder Johann Ludwig und Henriette Jordan.
    • „… und breit und ganz local“Zur Aufführung im Schauspielhaus heißt es in der AmZ, Jg. 16, Nr. 39 (28. September 1814), Sp. 652: „Der Inhalt des Stücks ist sehr unbedeutend, und nur die patriotischen Tendenzen retteten es vom Fall. Die Musik enthält manche liebliche Melodie, aber durchaus nichts Charakteristisches.“
    • „… Beers . Abends Rombergs Concert“Zum Konzert von Andreas Romberg am 1. September 1814 im Konzersaal des Schauspielhauses in Berlin (mit Beteiligung seines Cousins Bernhard) vgl. u. a. die Anzeigen in den Berlinischen Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen, 1814, Nr. 102 (25. August), Nr. 103 (17. August) und Nr. 104 (30. August) sowie den Bericht ebd., Nr. 107 (6. September).
    • „… gieng auch recht gut. Romberg“Fraglich, ob Bernhard Romberg oder sein Cousin Andreas.

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