Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Dresden
Berlin, Donnerstag, 21. November 1816 (Folge 2, Nr. 1)
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Mein theures geliebtes Leben!
Wie soll ich dir genug sagen wie schmerzlich mich diese Trennung durchbebt*. Wie ich nach Hause kam fiel so recht die ganze Last derselben auf mich, und die Anstrengung die ich die ganze lezte Zeit auf ruhige Faßung verwendet hatte, schwand gänzlich und löste sich in einem Strom wohlthätiger Thränen auf. erst nach 9 Uhr konnte ich noch ein paar Minuten schlummern, dann zog ich mich an, gieng in die Probe meines Quartettes, aß zu Hause, und erhielt folgenden Brief von unseren lieben Junghs der mich tief erschütterte* in der ohnedieß trüben Stimmung die mich beseelt /: schikke mir ihn wieder zurük :/
Nachtische schlief ich etwas und gieng dann ins Concert, wo ich Lauska traf der Dich 10000mal grüßt, und mir zu meiner großen Freude sagte, daß ich heute schon an dich schreiben könnte, denn ich war schon sehr betrübt, daß du erst künftige Woche Nachricht von mir haben solltest. Nach dem Concert wo ich das Quartett spielte*, gieng ich zu Hothos, wo deiner, so wie überall mit vieler Liebe gedacht wurde. Das schöne heitere Wetter machte mich sehr froh für dich, und auch heute seegnet Gott Deine Reise.
Ich habe Gestern und bis jezt an keine Arbeit denken können, und werde wohl noch ein paar Tage verträumen. Du wirst mir immer lieber und theurer je mehr ich sehe daß auch dich der Wille, gut zu sein, erfüllt, und jenes Charakterlose Schwanken, sich in ruhiges besonnenes Vertrauen auflößt, was allein Ruhe und Glük geben kann. Möge unser Leben im allgemeinen dem 19t 9b gleichen, wo nur kurze Zeit die Sonne verfinstert war*, und übrigens ein heller Tag freundlich leuchtete.
Ich zehre nun an der Errinnerung und habe die Freude doch von Dir mit allen meinen Freunden sprechen zu können. Daßelbe hast du in Dresden mit der guten Lauska, die ich herzlichst grüße, und in Prag kannst du erzählen und gewiß überzeugt sein daß Junghs sich mitfreuen. diese guten Menschen werden recht heimgesucht und geprüft. Es wäre höchst traurig wenn sie ihren lieben Pepi verlöhren.
Daß es mit Liebich nicht so weit ist siehst du auch aus Junghs Brief. Vergiß doch auch nicht an Beers zu schreiben, und schikke mir den Brief. ich werde wohl lange nichts von dir hören, habe aber die Freude daß du schon den Tag nach deiner Ankunft diesen Brief erhältst, wenn ich dir schon den 2t schreibe. Das ist ja jezt meine einzige Freude denn Du wirst mir überall fehlen, und ich bin nur dann glüklich wenn ich alles mit dir theilen kann. Nun, Gott wird ja auch diese PrüfungsZeit vorüber gehen laßen.
Alles Schöne an die Mutter, nochmals bitte und beschwöre ich Euch, seid duldsam und verträglich, und besonders du liebe Lina bezähme deine Heftigkeit, und bedenke immer daß es deine Mutter und eine alte Frau ist, die Gott nicht gesegnet hat wie dich, daß Sie zu beßern Selbsterkenntniß gekommen wäre. Diese muß aber auch Duldung und Sanftmuth erzeugen, wo nichts mehr durch Heftigkeit zu ändern ist. Nun lebe wohl und glüklich. Sei heiter und gefaßt, damit du einen fetten Muks nach Prag bringst. Grüße alle in Dresden. sey brav, und behalte lieb deinen dich ewig unendlich
treu liebenden Carl.
1000000000000000
Bußen.
Berlin d: 21t 9b 1816.
Nachmittags.
Hier lege ich Dir etwas bei das mir viele Freude machte obwohl es als Gedicht* schwülstig und verrenkt ist. ich hoffe daß es dich auch freut mein guter Muks.
Brentano war heute Morgen bei mir, und las mir den Plan des Tannhäusers vor., Ich glaube daß es ein seltsam intereßantes Ding geben wird, auf jeden Fall voll Leidenschaft und wunderbarem IntereßeT. Zeit wäre es daß ich einmal eine ordentliche Oper unter die Fäuste bekäme. daß Jungh gar nichts von Apitz erwähnt beruhigt mich über deßen Gesundheit, obwohl ich von der andern Seite mich verwundere daß Er, der sonst so fleißige Schreiber, gar nicht antwortet. in einer Stunde gehe ich in das Oratorium von Danzi Abraham auf Moria*. Es wird mir gut thun, Musik zu hören, da meine innere Musik so trübe, oder vielmehr unthätig ist, da mein ganzes Wesen noch gar keinen andern Gedanken faßen kann als dich meinen geliebten Muken König. wenn du nur nicht sehr frierst, lieber Schneefuß, denn die Fenster laufen wieder gewaltig an.
Gute Nacht, Muks ich küße dich Millionenmal.
Alles Erdenkliche von Lichtensteins, und Brentano.
Apparat
Zusammenfassung
Trennungsschmerz
Incipit
„Wie soll ich dir genug sagen wie schmerzlich mich“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Überlieferung
-
Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
Signatur: Weberiana Cl. II A a 1, Nr. 20Quellenbeschreibung
- 1 Bl. (2 b. S. o. Adr.)
- am oberen Rand der Rectoseite neben Webers Nro: 1 von F. W. Jähns (Tinte): „(der 104 | zusammen- | hängenden)“
- am unteren Rand (Tinte): „verte“
- am unteren Rand der Versoseite (Tinte): „Carl Maria von Weber an seine Braut. Eigenhändig.“
Provenienz
- vermutlich zu jenen 60 Weber-Briefen gehörig, die Max Maria von Weber Anfang 1854 an Friedrich Wilhelm Jähns verkaufte; vgl. Max Jähns, Friedrich Wilhelm Jähns und Max Jähns. Ein Familiengemälde für die Freunde, hg. von Karl Koetschau, Dresden 1906, S. 403
Dazugehörige Textwiedergaben
-
Muks, S. 254–256
Themenkommentare
Einzelstellenerläuterung
-
„… von Danzi Abraham auf Moria“Zu dem von Georg Gern im Konzertsaal des Schauspielhauses veranstalteten Konzert vgl. die Anzeigen in den Berlinischen Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen, Jg. 1816, Nr. 130 (29. Oktober), Nr. 139 (19. November) und Nr. 140 (21. November) sowie die Besprechungen ebd., Nr. 156 (28. Dezember) und in der AmZ, Jg. 18, Nr. 51 (18. Dezember 1816), Sp. 877.