Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Prag
Dresden, Sonntag, 29. Juni bis Montag, 30. Juni 1817 (Nr. 61)

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An

Mademoiselle

Carolina Brandt.

Wohlgebohren

MitGlied des Ständischen

Theaters

zu

Prag.

Kohlmarkt No: 514.

2t Stok.

Mein lieber böser Muks!

Obwohl ich gleich ins Theater muß, so kann ich mir doch es nicht versagen noch ein paar Worte mit dir zu pabsen. dein lieber Brief No. 65, hat mich recht überrascht, und wenn auch der heutige Tag sich eines Vorzugs rühmen kann dadurch, so werde ich Morgen doch glauben es müße wieder Einer komen. Eigentlich muß ich aber ein bischen zanken, also um mit mir zu brumen, benuzt er das öfter gehen der Post? ist das recht? und wenn ich armer geplagter Teufel, zu ihm komme, und klage und mißmuthig bin, und das nun desto stärker weil es körperlich ist und ohne eigentliche Ursache, – so hott er sich hin und flennt? Ach! meine Alte, sieh das gehört ja zu deinen Vorrechten mich immer so zu sehen wie ich gerade bin, wobey ich aber sehr bitten muß nicht so allerley herauszustudieren, was mir im Traum nicht eingefallen ist. – Nun Muks, ich will aber billig sein, und dich eigentlich recht loben, daß du den alten aufsuchenden Dämon gleich wieder fortgejagt hast, und wenigstens mit möglichst freundlichem Gesicht zankest. Ja liebe Lina, ich danke dir recht dafür, denn ein ganz düsterer Brief von dir hätte sehr traurige Wirkung auf mich machen können. ich muß es nur nehmlich gestehen daß mich die Angstrengungen pp der lezten Zeit mehr angegriffen haben, als ich glaubte, und daß ich Gestern Abend und die ganze Nacht hindurch ein sehr heftiges Fieber gehabt habe, wo ich schwizte, – Nun! das war ein verschwizter Schweiß, so daß ich ganz schwam, und heute Morgen doch den Dr: Weigel holen ließ. der gab mir nun etwas zu freßen, vielleicht muß ich auch noch speiberln, – ich glaub es aber nicht, denn meine Natur hat sich durch diesen natürlichen Schweiß außerordentlich geholfen, und ich bin seit heute Morgen schon wieder kreuzwohlauf, und muß es wohl sein, weil ich jezt gleich gehe den Joseph zu dirigieren in dem H: Stümer singt. du siehst also daß es recht gut war, daß du nicht gar zu arg mit mir gezankt hast, denn meine böse garstige Galle braucht gar keine Hülfe und Veranlaßung um mich zu seziren. Nun bitte ich mir aber aus daß er nicht etwa gleich wieder glaubt der Tod säß mir schon auf der Zunge, sondern ganz ruhig und unbesorgt ist, weil es wirklich von gar keiner Bedeutung. Heute Abend komt der Dr: noch einmal, und bleibt da das Fieberl wett – so bin ich wieder ganz frisch. Wie das Alles gekomen, und was ich in diesen Tagen Neues erlebt erzähl ich dir Morgen. ade jezt, du alter Grübel Hamster hab dich doch lieb – kom gieb mir‘n gutes Bußel und sei brav, so wie dein dich über alles liebender treuer

Carl. |

Guten Morgen lieber Muks. Muß dir nur geschwind sagen daß ich recht gut geschlafen und kein Fieber gehabt habe. Nach der Oper, die recht gut gieng nahm ich Fußbad, gurgelte pp und schlief gut. Heut habe ich auch schon Lection, Gurgelwaßer, Medizin und Kaffenè im Leib. und muß jezt leider wieder in die Prob, und dann zum Minister, wegen der Armen Geschichte*, also adje bis Nachmittag. wollte dir nur sagen daß ich mich recht wohl befinde und schon nicht sterben werde. –

Es ist wirklich toll wie es mir manchmal geht. um 10 Uhr also in die Probe bis 1 Uhr, da komt der Organist Barthels aus Altenburg an, den lade ich zum Eßen ein im Engel, und gehe zum Minister, da muß ich warten bis ½ 3 Uhr, und kome erst um 3 Uhr zu Tische, eße ein paar Bißen, laufe nach Hause hier steht schon wieder alles voll Leute. Nun habe ich aber alles fortgejagt, um mit meiner Lina bis zum Abgang der Post plaudern zu können.     Als erst meinen Bericht und dann zu deinem Brief. d: 27t schrieb ich dir Abends um ½ 10 Uhr noch einen Brief durch H: Geyer, s. No: 60 ½. den du wohl nicht bekomen wirst, da man Geyer von hier eine Staffette nachschikte indem gleich nach seiner Abreise die Nachricht kam daß er Anfangs July unmöglich spielen könne*. das thut mir leid, den troz meiner großen Ermüdung meldete ich dir doch vergnügtest, wie herrlich das Konzert ausgefallen war, und wie gut in jeder Hinsicht gegangen.

d: 28t früh ueberraschte mich unser guter Papa Beer aus Berlin. und gleich nach ihm kam Böttiger mit Treitschke und Schreivogel zu mir, außer der übrigen Menge Menschen. um 10 Uhr hatte ich GeneralProbe von Joseph. Aß mit Beer im Engel, wo denn auch viel von der Mukin geplaudert wurde, und er mir Zukker und Kaffee in die neue Wirthschaft schenkte*, und dich 1000 mal grüßen läßt. um 3 Uhr hatte ich schon wieder Rechnungs Geschäfte zu Hause, um 5 Uhr fuhr ich mit Beer ganz allein nach Tharandt, da fühlte ich mich schon sehr angegriffen. im Rükweg sprachen wir bei Hellwig ein, wo auch die Wiener waren und da glühte ich schon im Gesichte, und gieng gleich in Bett, wie ich ankam, schwizte die ganze Nacht pp wie ich dir schon geschrieben. dirigierte aber doch Abends den Joseph, der recht gut gieng, aber nicht voll war. H. Stümer gefiel wohl, machte aber keine Sensation*. dann nahm Beer Abschied und reiste ab nach Karlsbad. Heute ist nun auch Graf Vizthum abgereißt. Morgen früh muß ich dem Oberst Kamerherrn der unterdeßen unser Cheff ist, meine Visite machen. und so geht der Troubel in einem fort, daß ich nicht weiß wo mir der Kopf steht manchmal.

Nun wieder zu deinem Brief. Du wirfst mir vor daß ich zu viel Sehnsucht nach dir habe, ich wäre wohl sonst doch auch lustig gewesen pp nun! schon gut! – o ich kann auch die Sehnsucht verbeißen, ich brauche es dir garstigem Mops gar nicht mehr zu sagen, daß ich dich täglich unentbehrlicher finde – o! – o! | Mir scheint fast es ist jezt umgekehrt bei uns, und du bist lustig, und fett, und ich schmachte und härme mich ab. Aber wirklich Muks, du hast es doch viel beßer als ich, und das ist auch recht, desto mehr Frohsinn hast du dann im Vorrath für mich.     daß ich manchmal recht ernst und verdrüßlich aussehend, schreiben mag, glaube ich gerne, aber das etwas darinnen vorkommen könnte was dir wirklich wehe thun kann, ist unmöglich, und du grübelst es nur heraus. Wenigstens weiß ich bei Gott nichts davon, und hätte jezt auch nicht die allergeringste Ursache dazu. du hast ganz recht, wenn du sagst daß es Sünde sei wenn ich jezt unzufrieden wäre, das bin ich auch nicht, es ist reine Stimmung. Ermattung, nenn es wie du willst, es wird bald vorüber gehn. wenn du hier wärst, und manche Details sehen und hören könntest, würdest du es auch begreifflich finden. Nun wie gesagt, Mukin wird dann alles wieder gut machen, und ob du gleich davor erschrikst daß ich so viel auf deine Schultern lade, ich kann dir nicht helfen, so ist es einmal, also waffne dich, und somit – Puntum. Jemehr ich deinen Brief lese, je weniger kann ich begreiffen was du alles aus dem meinigen herausgelesen hast. und was denn doch wohl am Ende drin stehen muß, aber der Zusammenhang pp entscheidet freilich erst die Sache. Sey nur nicht mehr böse, will in meinem Leben das Wort Lasten und entschiedenes Schiksal nicht mehr brauchen, damit du keinen Anstoß dran nimmst, obwohl es gar gewöhnliche und unschuldige Dinge sind, sagt man nicht, kom süße Last – geh wett, du hast gar keinen poetischen Sinn.      Uebrigens sehe ich dich wenn du dieses ließt sagen, ja ja, redt der Herr nur, ich weiß doch was ich weis – ich aber sage ein für allemal du bist und bleibst ein Oz, aber ein lieber Oz.     Meine Rolle hat sich also wieder schön bewiesen. nur zu, das führt uns die Grünb. desto eher zu. die Waldmüller ist also gekapert*, in Gottes Nahmen. Die Wiener Herren haben auch mir recht ordentlich von Wien gesprochen. – ich höre das alles so mit an.      Baßi und wir alle kommen wirklich nicht zu uns vor Erstaunen. Was sprichst du mir von Liebes Geschichten? du!!! warum suchst du mich hinter dem Ofen? laß mir nur den H: Iwan weg, und damit gut. Ich habe mirs wohl gedacht das der Drin Geburtstag recht rührend gewesen sein mag, hätte wohl dabei sein mögen. Nun wird es nicht mehr lange dauern so kann Lina auch in Ett gehen, und gut Schloßhunden*, ob die Kleinen sich auch bald anhängen werden, nun das werden wir sehen. – nun lache nur, es ließt‘s ja Niemand mit.

Nun muß ich aber schließen, denn die Post geht. Gott segne und behüte dich. + + + bleib brav heiter und gesund. mir ist Gott sei Dank wieder recht wohl, und du wirst mich durch nichts mehr freuen als wenn du dir keine unnüzze Sorgen machst.      Grüße an alle.      Ewig dein dich überalles innigst liebender
treuer C

Apparat

Zusammenfassung

Privates; über einen Fieberanfall u. rasche Besserung; Proben u. Auff. des Joseph; Besuche, u.a. von Beer, Treitschke u. Schreyvogel; Unternehmungen mit Beer; Theatergeschäfte, neues Personal

Incipit

Obwohl ich gleich ins Theater muß, so kann

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Weberiana Cl. II A a 2, 13

    Quellenbeschreibung

    • 1 DBl. (4 b. S. einschl. Adr.)
    • am unteren Rand der Adressenseite von F. W. Jähns mit Tinte: „Carl Maria von Weber an seine Braut. Eigenhändig.“, auf Bl. 1v zur Datumsangabe mit Bleistift: „Dresden.“

    Provenienz

    • vermutlich zu jenen 60 Weber-Briefen gehörig, die Max Maria von Weber Anfang 1854 an Friedrich Wilhelm Jähns verkaufte; vgl. Max Jähns, Friedrich Wilhelm Jähns und Max Jähns. Ein Familiengemälde für die Freunde, hg. von Karl Koetschau, Dresden 1906, S. 403

Textkonstitution

  • „s. No: 60 ½.“über der Zeile hinzugefügt

Einzelstellenerläuterung

  • „… , wegen der Armen Geschichte“Abrechnung der Einnahmen des Wohltätigkeitskonzerts „zum Besten der Armen im Gebirge“ am 27. Juni 1817 unter Webers LeitungT.
  • „… Anfangs July unmöglich spielen könne“Der Monat Juli war am Prager Ständetheater vor allem durch Gastspiele von C. Schwarz (9. bis 24. Juli) und Tochter Julie (ab 7. Juli, anschließend engagiert) sowie S. Schröder (20. Juli bis 17. August) geprägt; vgl. Tagebuch der deutschen Bühnen 1817, S. 344f. L. Geyer reiste trotzdem weiter nach Böhmen (wie geplant über Prag, da der Brief sein Ziel erreichte; vgl. Webers Brief an C. Brandt vom 3./4. Juli 1817). Am 4. Juli traf er schließlich laut Kurliste (1817, Nr. 947) in Karlsbad ein und stieg im Haus „zum Wallfisch auf der Wiese“ ab. Sein Prager Gastspiel verschob Geyer auf die Zeit vom 30. September bis 10. Oktober 1817; vgl. Tagebuch der deutschen Bühnen 1817, S. 347.
  • „… in die neue Wirthschaft schenkte“Vgl. dazu ausführlich den Brief vom 27./28. Juli 1817.
  • „… wohl, machte aber keine Sensation“H. Stümer sang den Joseph; vgl. den Bericht in der Abend-Zeitung vom 23. Juli 1817.
  • „… die Waldmüller ist also gekapert“Die Waldmüller erhielt 1817 ein Engagement an der Wiener Hofoper.
  • „… Ett gehen, und gut Schloßhunden“Gemeint ist: weinen.

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