Carl Maria von Weber an Caroline von Weber in Schandau
Dresden, Montag, 6. bis Mittwoch, 8. August 1821 (Nr. 4)
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- 1821-08-10: von Weber
Da sizze ich wieder einsam und still, und freue mich Gestern und Heut über das schöne Wetter das die Mukkin hat, und ärgere mich über die Boten Frau die jezt ½ 10 Uhr noch nicht da ist ich habe eben wieder hin geschikt, und hatte mich so auf Nachricht von dir geliebtes Leben gespizt. Die Rükfahrt Sonnabend* war wirklich herrlich, und um ¼ auf 10 Uhr war ich schon in meinem Neste, und schmaußte eine gedünstete Leber mit Toffeln.
Gestern Sonntag habe ich 2 mal Kirche und 1 mal Donau Nixe* gehabt. um ¾ auf 6 Uhr wer kam? Grünbaums!!* die jamerten was ehrliches daß sie dich nicht fanden. die Grünb: ist ditt fett geworden, auch Er sieht sehr wohl aus. nach dem Theater gieng ich zu Ihnen, und wir plauderten bis 11 Uhr. Sie sind sehr vergnügt in Wien, und haben mich beschworen meine Oper ans Hoftheater zu schikken*. Mosel behaupte mir 2 mal deßhalb geschrieben zu haben*, könne gar nicht begreiffen warum ich nicht antworte, und fürchte man möchte es an der Wien zuerst geben. Morgen will ich ihm schreiben. Von Gerstäkker haben sie auch viel erzählt. Er hat sich auch in Wien durch dumme unüberlegte Schwäzereyen alles verdorben. Dietrichstein wollte ihm 6‡000 f conv: Münze geben, und andre die dieß wußten Gratulirten Gerstäkker und freuten sich ihn zu behalten, Er aber sagte ganz verächtlich, so schnell gienge das mit Ihm nicht. da müßte er die Direktion erst anders kriechen und bitten sehen. daß dieß natürlich raportirt und dadurch der Graf Dietrichst: erbittert wurde ist klar, und so zerschlug sich die Sache*. – Ende Sept: komen Grünb: zurük*. Heute hatte ich Probe, Joh: v: Paris*. dann BenediktT, und gegen Abend holten mich Hellwigs nach Plauen* ab. Dein armer Karl leidet aber sehr an Zahnschmerzen*, sonst ist er recht wohl. ich habe einen Balsam von Wilhelmi auf dem Zahn, und jezt will ich noch ein Fußbad nehmen, und dann in Bett.
also gute Nacht mein geliebtes Leben + + + Gott segne dich. 1000000 Bußen. gute Nacht. |
Dienstag Früh.
Guten Morgen liebe Mukkin. Gottlob wieder schön Wetter. ich glaube ich habe noch nie so nach dem Wetter gegukt wie jezt. hoffentlich hast du beßer geschlafen als ich. Balsam, und Fußbad wollten das dume Zahnweh nicht vertreiben. gegen Morgen kam ich etwas in Schweiß und schlief dann ein paar Stunden. seit 6 Uhr sauffe ich nun schon Biliner Waßer, und jezt den Fee*. noch immer ist die Boten frau nicht da —, wenn du nur dann den Brief nicht auch später erhältst. hier schikke ich dir die verlangten Sachen. wenn ich nur nichts vergeßen habe. grüne oder bunte Handschuh waren nicht mehr da. dafür schikke ich dir 2 paar dänische. der junge Rellstab aus Berlin hat mir eine große Oper, Dido‡, vorgelesen, vortrefflich. da erblüht wieder ein tüchtiger Opern Dichter*. Er hat mir auch eine zu schreiben versprochen.
Höre, Lina, das Abschiednehmen ist eine dumme Sache. es hat mir wieder recht den Hals zugeschnürt. beisammen bleiben, so ists recht. Sey nur recht brav, und heiter. und spare nichts, und mache alles mit. hörst du? wenn du mich ein bischen lieb hast, so folgst du. Sonst hilft ja alles nichts.
nun ade derweile muß nun andre Briefe krazzen.
Mittwoch d: 8t Früh.
Endlich endlich komt dein Brief No: 5. Ich war schon recht in Angst, denn die Boten frau war Gestern Abend gekommen und es hieß sie hätte keinen Brief für mich. wegen der Vogelschieß Geschichte* konnte ich mir zwar leicht eine Konfusion denken, und das hätte mich wieder beruhigt, aber so ist es doch beßer. Mit dem guten Wetter war es Gestern Mittag schon wieder aus. hatte Probe von der Elizabeth*, dann BenediktT. Abends Joh: v. Paris der troz dem Regen hübsch besucht war. wer aber sehr übel dran war den ganzen Tag, war die Männe. schrekliches Zahnwehe. aber Gottlob die Nacht war gut, und heute mukkert er noch so ein bischen. War Gestern Abend auch liederlich bei Chiapponi. H: Stein r‡eißt durch nach Berlin. auch Kind, Winkler, Breuer pp* waren da. Heute soll nun Kuhn kommen. der bringt mir auch wieder Nachricht mit. deine Kuhstallisterey* wird wohl der Regen verdorben haben. wenn du dich nur | nicht erkältest gute Weibe. Lamentire doch nicht über die Ausgaben, und zeche nur drauf los. aber Er Spizbube mit doppelter Kreide muß er mir nicht kommen. die 12‡ Groschen die Er mir gel‡iehen hat habe ich ihm ehrlich nebst 12 Groschen fürs Haar schneiden mit einem Thaler C: B. bezahlt. dagegen erlaube ich ihm dem SchnuffT seine litterarischen Studien anschreiben zu dürfen.
Ja, die Poten waren recht hübsch, und sollen versorgt werden. Nun weiß ich auch weiter nichts, als daß ich viel zu thun habe, und die Pintos nur so nebenbey anschielen kann*. Gott segne dich, und erhalte dich heiter. das ganz gut gehen wird schon nach kommen, brauche nur alles recht ordentlich. schreibe mir auch ob bald eine Silberflotte ankomen soll. hörst du? spare nur nicht. 10000 gute Bußen + + +.
Grüße alle herzlichst.
Ewig dein
Carl.
Apparat
Zusammenfassung
berichtet über Besuch der Grünbaums und dass man in Wien den Freischütz aufführen will; außerdem über Verhandlungen von Gerstäcker in Wien; Weber litt an Zahnschmerzen; bekam von Rellstab dessen neue Oper Dido vorgelesen; verschiedene Theaternachrichten und Besuche; Arbeit an Die drei Pintos
Incipit
„Da sizze ich wieder einsam und still“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Eveline Bartlitz
Überlieferung
-
Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
Signatur: Mus. ep. C. M. v. Weber 147Quellenbeschreibung
- 1 DBl. (3 b. S. o. Adr.)
- am Bl. 2 unten ein 6 cm breiter Streifen abgeschnitten [vermutl. ohne Textverlust]
- Zusatz am oberen linken Rand Bl. 1r von Jähns (Tinte): „Siehe die Rückseite“, neben der „No: 4“: „(muß heißen:) No 3.“, jedoch mit Bleistift durchgestrichen; über „July“: „(muß heißen August.)“, Radierversuch einer Jahreszahl, daneben: „1821“.
- Zusatz von Jähns auf der Versoseite von Bl. 2: „Zu Anfang dieses Briefes ist Nummer und Datum verschrieben. Das Jahr ist 1821. Dies alles hat sich auf meine Anfrage bei L. Rellstab ergeben, der mich benachrichtigte, daß er im August 1821 mit seiner Dido bei Weber gewesen sei. Auch das im Briefe erwähnte Vogelschießen wird in Dresden niemals Anfangs Juli sondern immer nur Anfangs August gefeiert. F. W. Jähns.“
Dazugehörige Textwiedergaben
-
MMW II, S. 333 (Auszug)
Themenkommentare
Textkonstitution
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„6“„4?“ überschrieben mit „6“
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„Dido“„Cid“ überschrieben mit „Dido“
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„r“gelöschter Text nicht lesbar
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„2“gelöschter Text nicht lesbar
-
„l“„g“ überschrieben mit „l“
Einzelstellenerläuterung
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„July“recte „August“.
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„Rükfahrt Sonnabend“Weber hatte vom 2. bis 4. August 1821 seine Frau in Schandau besucht, vgl. TB.
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„… und 1 mal Donau Nixe“Zu den Kirchendiensten und zur Aufführung von Kauers Donauweibchen (II) vgl. Tagebuch, 5. August 1821.
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„Mosel behaupte mir … geschrieben zu haben“Zu den Briefen von Ignaz Franz Mosel vgl. Kom. im Brief an Mosel vom 8. August 1821.
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„Joh: v: Paris“ Boieldieus Oper wurde am 7. August 1821 gegeben, vgl. auch Tagebuch, 6. August 1821.
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„… holten mich Hellwigs nach Plauen“Gemeint ist der von dem Dorf Plauen, heute Stadtteil im Südwesten Dresdens, ausgehende Plauensche Grund, vgl. auch Tagebuch, 6. August 1821.
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„Zahnschmerzen“Vgl. auch Brief an Lichtenstein vom 18. Oktober 1821.
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„… Waßer, und jezt den Fee“Familiensprache für „Tee“.
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„junge Rellstab aus … tüchtiger Opern Dichter“Ludwig Rellstab besuchte Weber am 5. August 1821. Dido wurde 1823 von Bernhard Klein komponiert.
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„… mich. wegen der Vogelschieß Geschichte“Hier ist wohl nicht das Volksfest gemeint, das alljährlich auf der Dresdner Vogelwiese veranstaltet wurde, sondern ein Vogelschießen in Schandau, das Weber laut Tagebuch am 3. August 1821 besucht hatte, ohne dabei besondere Vorkommnisse zu notieren, auf die er hier anspielt.
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„… , Winkler , Breuer pp“Vgl. Tagebuch, 7. August 1821.
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„… wieder Nachricht mit. deine Kuhstallisterey“Offenbar hatte Caroline von Weber eine Wanderung zum „Kuhstall“-Felsentor vor.