Carl Maria von Weber an Caroline von Weber in Dresden
Prag, Mittwoch, 13. Februar - Freitag, 15. Februar 1822 (Nr. 3)
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Früh 8 Uhr! Abends ½ 10 Uhr.
Da Oben die No: 3 pp habe ich heute Morgen alles geschrieben. dann giengen schon die Besuche an, daß ich mich kaum anziehen konnte, um meine zu machen. Gestern Früh 3 Uhr war die Männe schon in Töplitz auf den Beinen, trank Fee, dachte an die gute Mukkin, und saß vor 4 Uhr schon im Wagen. herrliches Wetter, Weg, wie in einem Garten. auf jeder Station die Pferde in 10 Minuten angespannt, Gefahren wie die Teufel — in Laun mußte ich aber eine Stunde still liegen weil mir eine Schraube los gegangen war; in Schlan aß ich zu Mittag; ließ mich rasiren, wozu ich doch den Abend vorher zu müde gewesen war, und war doch um 5 Uhr Nachmittag am Starhofer Thor, und bald darauf in der Stadt WienT, wo ich nur ein elendes Zimmer hinten heraus bekam. ich wäre wieder umgekehrt, wäre nicht schon alles abgepakt gewesen. ich holte den Mantel heraus, und gieng ins Theater, da war ein Tableau mit Gesang von Triebensee zu des Kais: Geburtstag*. das die Sonntag recht artig sang. hübsches Mädchen, aber noch ganz Anfängerin, und wohl auch etwas ganßig. alle Thürsteher Carlo, Stiepanek pp Franz, lekten mir die Hände, in wirklich ungeheuchelter Freude. im Parterre stürzte alle Augenblik einer auf mich zu. alles frug nach dir, und jammerte daß du nicht mitwarst. ich gieng dann aufs Theater zu Holbein, meinen alten Choristen, alles war außer sich. Es war das Inkognito deine lezte Rolle!!! wie müßte das dich ergriffen haben. alle sprachen davon. die junge Holbein spielte sie — — Die arme Renner liegt auf den Tod, an einem Polyp in der Mutterscheide. Sie wird von Kumpholz operirt werden. in der Hälfte des Stüks gieng ich weg zu Junghs. Nun, den Jubel hättest du sehen sollen. das Gespräch des ganzen Abends warst nur du. Sie grüßen dich innigst und sind ganz die Alten. ich aß da, und gieng um 10 Uhr hundeschläfrig in Bett. gab der Mukkin gute + + + Mariechen* auch, und schlief gut bis 1/2 8 Uhr. wollte nun gleich an die Weibe schreiben, ja proßt die Mahlzeit, da kam Gerle, Jungh, Kainz, Wiener p p p
Dann ging ich zu Triebensee, Holbein p Clams, Pachta. aß bei Kleinwächters zu Mittag, hörte ein Quartett, fuhr dann zum alten Collowrath und Oberstburggrafen, und erhielt wie ich zurük kam deinen sehnlichst erwarteten No: 1. Aber! Aber!
Aber Lina was ist das
Deine Augen san ja naß!!!
Deine RedensArten sind brav, aber deine Thaten nicht. wo die Schloßhunde* so das Papier bewieseln, daß sogar das Wort, brav, einen Klex bekommen hat, da kann [ich] denn nicht glauben was du mir schreibst. Gutes, geliebtes | Leben, wenn du wüßtest wie mich dieß ängstiget, wie der Gedanke an deinen Trübsinn, und deine Trostlosigkeit, mich in ewiger Besorgniß erhält, daß deine Gesundheit darunter leiden könnte, wenn ich in aller Erheiterung die ich haben könnte, immer durch diese Angst beunruhigt werde; du würdest gewiß dir alle Mühe geben, und endlicheinmal die gute Seite der Sache hervor suchen und bedenken. Aber glaube nur nicht daß ich mir was weiß machen laße, du magst dich noch so lustig stellen, ich sehe doch dein Gesicht durch.
Glaubst du denn daß die Trennung von dir mich nicht auch schmerzlichst im Innern bewegt??! Troz aller Freude und Rührung des gestrigen Empfangs, hatte ich doch förmliches Heimweh, und gieng recht traurig in Bett; aber die Oberhand darf man es nicht gewinnen laßen, sonst legte man sich ja selbst eine Hemkette für alle Ansprüche des Lebens, in dieser Art, an.
So! nun hast du dein Kapitel, nun will ich auch wieder gut sein. Heut Abend war dieß Stük hier*. über vieles hab ich wirklich recht gelacht. Die Wiener lokal Stükke, sind noch wirklich komisch, und voll treffenden Wizzes. Allram und Feistmantel waren trefflich.
Schon Gestern Abend bestimte Holbein /: den auf Freytag auf dem Repertoire gestandenen Freyschützen :/ zu Morgen Donerstag, mir zu Ehren. Heute Abend kam aber der hinkende Bote nach. ich hatte mich so darauf gefreut ihn zu hören; so recht ruhig. ja prost die Mahlzeit.’s nüzt nichts, ich muß ihn Morgen dirigiren. die Leute sind wie toll. ich war recht lange unschlüßig was ich thun sollte, zumal da ich ganz traurig von deinem Brief noch war. endlich mußte ich nachgeben.
Gestern gieng hier die Nachricht von dem Tode des Prinzen Albert ein, welches du wohl heute schon wißen wirst. auch gut. so bin ich desto entbehrlicher. Freytag früh 4 Uhr gehts wieder fort, um Sonntag Abends, wenn du diesen Brief erhältst, mit Gottes Hülfe in Wien zu sein. das Wetter ist herrlich. die Straßen trokken, alles gut gepflastert, vieles sehr verschönert. Junghs sind heut Abend ausgebeten, und Morgen auch. ich nahm auch nichts anderes an, um mit der Mukkin pabsen zu können, und gieng um 9 Uhr nach Hause.
Nun aber auch gute Nacht. die Augen fallen mir zu. Gott gebe dir eine beßere, als die 1t war, ach und stärke dich zur Heiterkeit. gute gute Nacht + + +. Millionen Bußen. |
ich bin fertig und die Pferde noch nicht da, also geschwind noch zur Mukkin. das war ein Jubel Gestern. wie ich ins Orchester kam wollte der Jubel, Schreyen und Klatschen gar kein Ende nehmen, und so 3 mal. das Haus zum brechen voll*. troz der vielen Bälle. fast nach jeder No: aplaudirt. Jäger Chor da Capo. und am Ende mich herausgerufen, mit gehörigem Ungestüm; die Vorstellung gieng sehr gut. Orchester sehr gut, voll Liebe und Feuer. eben so die Chöre. die Sonntag sehr lieblich. Die Wohlbrük fatal, Max hübsch gesungen. Kainz recht brav. Eremit schauderhaft. alles übrige gut*. Wolfsschlucht ganz anders als bei uns; aber wirklich vortrefflich. da sizt Phantasie drinn, muß ich mir aber zur Erzählung vorbehalten.
Mittag war ich bei Clam gewesen. nach dem Theater noch bei Holbein, mit Pixis, Triebensee, Beyer /: von Clam:/ und Schikaneder. bis 1/2 1 Uhr, dann eingepakt – also geschlafen? nicht viel. Holbein hat mir eine sehr schöne, silberne und vergoldete Taße nebst Löffel geschenkt. und somit wäre Prag mit Ehren abgethan. diesen Brief nehme ich auf die nächste Station mit, damit er sicher geht. der, den du mir schiktest, war von Kannegießer, und nothwendig, weil er etwas verlangt. Aber ich habe dir noch nicht einmal guten Morgen gesagt. also, guten Morgen Mukin. gut geschlafen? bist du brav? darf ich mich nicht ängstigen? die Schopf grüßt dich 1000 mal. nach Wien ist die Adresse nicht Ochs und Geymiller, sondern blos denen G: Geymülle[r] et Comp:.
nun adio geliebtes Leben. Gott segne dich + + + ich drükke dich innigst an mein Herz. bin gesund, habe gut Wetter, also sei ruhig; wenn du diesen Brief erhältst bin ich hoffentlich schon in Wien. die besten Grüße an alle. auch an den armen Schnuff, und AliT. Ewig dein treuer Carl [Kußsymbol]
Apparat
Zusammenfassung
berichtet über Fahrt von Teplitz nach Prag; Begrüßung, Besuche; über Theaterbesuche in Prag; Privates; über die Aufführung des Freischütz unter seiner Leitung
Incipit
„Da Oben die No: 3 pp habe ich heute Morgen alles geschrieben“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Überlieferung
-
Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
Signatur: Weberiana Cl. II A a 3, 9Quellenbeschreibung
- 1 DBl. (4 b. S. einschl. Adr.)
- Siegelloch
- PSt: Böhmischbrod
- am linken Rand Bl. 2 v (Adressenseite) Vermerk von Jähns (Tinte): „Carl Maria von Weber an seine Gattin. Eigenhändig.“
Provenienz
- vermutlich zu jenen 60 Weber-Briefen gehörig, die Max Maria von Weber Anfang 1854 an Friedrich Wilhelm Jähns verkaufte; vgl. Max Jähns, Friedrich Wilhelm Jähns und Max Jähns. Ein Familiengemälde für die Freunde, hg. von Karl Koetschau, Dresden 1906, S. 403
Dazugehörige Textwiedergaben
-
Kapp, Julius: Der ’Freischütz’ in Wien, in: Die vierte Wand, Magdeburg, Nr. 14/15 (14. Mai 1927), S. 40f.
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MMW II, S. 394 [nur Auszug]
Themenkommentare
Textkonstitution
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„5“„4“ überschrieben mit „5“
Einzelstellenerläuterung
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„… Triebensee zu des Kais: Geburtstag“Laut Allgemeine Theaterzeitung und Unterhaltungsblatt für Freunde der Kunst, Literatur und des geselligen Lebens, Jg. 15, Nr. 58 (14. Mai 1822), S. 231 begann der Abend „Zur Feier des allerhöchsten Geburtsfestes Seiner Majestät des Kaisers“ mit einem „Festgesang […], gedichtet von Schießler, in Musik gesetzt vom Kapellmeister Triebensee“; vgl. auch ebd., Nr. 25 (26. Februar 1822), S. 98f. (mit Abdruck des Textes).
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„… gute + + + Mariechen“Kosename für das ungeborene Kind, Max Maria von Weber wurde am 25. April 1822 geboren.
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„… Thaten nicht. wo die Schloßhunde“Tränen.
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„… Eremit schauderhaft. alles übrige gut“H. Sontag sang die Agathe, M. Wohlbrück das Ännchen und J. W. Kainz den Kaspar. Den Max gab in Prag Ferdinand Pohl, den Ottokar F. Haßloch; vgl. die Presseberichte zur Erstaufführung. In der AmZ-Besprechung werden ebenso die (nicht genannten) Interpreten des Eremiten und des Cuno gerügt.