Carl Maria von Weber an Johann Gänsbacher in Wien
Berlin, Dienstag, 17. Dezember 1816

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Herzlieber Bruder!

Meinem Versprechen gemäß muß ich heute ordentlich mit dir plaudern, und wenigstens erzählen wies geschehen ist, und was geschehen soll. d: 12t 7br schrieb ich zum leztenmal an dich. die Abgabe meines Geschäftes und die Anstalten zur Reise, Verkauf meiner Sachen pp sezte mich gut in Athem. d: 29t beschloß ich meine Prager Laufbahn mit dem Dorfbarbier eben nicht sehr brillant. Nach Abschied vom Orchester, wovon es mitunter wirklich rührend war, da sie nun sahen daß es Ernst wurde, und sich errinnert[en] doch oft von mir  rühmlichst ins Gefecht geführt worden zu sein. d: 7t 8b reiste ich mit meiner guten Lina und ihrer Mutter ab. blieben in Dresden ein paar Tage*, wo die Sache wohl ziemlich richtig gemacht wurde, aber bis jezt noch nicht ganz bestimmt ist*. d: 13t kamen wir in Berlin an. Wo Lina zu dem Instrumentenmacher Kysting und ich zu Lichtenstein zog. Lina spielte 8 mal mit dem ausgezeichnetesten Beyfall*, und nahm sich überhaupt so gut und brav daß ich meine innigste Freude dran hatte. Ruhe und Ueberzeugung kehrt endlich bei ihr ein. Sie sah wie ich hier geliebt und geachtet bin, wie freundschaftlich ich mit den Weibern umgieng und gottlob der Eifersuchtsteufel schwieg. Ich stekte mich in Arbeit bis über die Ohren, da ich dem Schleßinger eine Anzahl Werke bis d: 1t Xber zu liefern mich verbindlich gemacht hatte, und ging zu niemand, gab und gebe auch des ZeitVerlustes wegen kein Concert*. habe bis jezt hier geschrieben. 3 Lieder, Allo und Adagio zur Sonate in As. 4 ausgeführte Gesänge. Erstes Allo: für Clarinette und Pf: eine ganz neue große Sonate D moll. das 3t Heft von Leyer und Schwert. Divertimento für Guittare und Pf:.      Jezt schreibe ich noch ein Trio und 2 Arien. für die Milder und Fischer.      d: 19t hatte ich meine liebsten Freunde bey einem Austernschmause bei mir, und verlobte mich mit meiner geliebten Lina. ist Sie dieses Jahr über brav und ich habe einen ordentlichen Dienst, so verläßt Sie das Theater und wird meine liebe Hausfrau. d: 20t reiste Sie ab, nach Dresden, wo sie 5 mal spielte*. ich bleibe hier bis 10 oder 12[t] Januar, dann gehe ich nach Hamburg und Koppenhagen. Hier hast du all mein Thun und Treiben. Und nun zu Beantwortung deiner lieben Briefe. den vom 6t 9br erhielt ich hier d: 16t und kannst dir denken welche Freude ich über so wohlverdiente Verzierung deines Knopfloches* hatte. Gott sei Dank, brav sein findet doch endlich Anerkenung und freut dann doppelt wenn es ganz unerwartet komt. Trage es nur 100 Jahr gesund. Ist mir lieb daß du mit der Oboe zufrieden warst*. daß du endlich mit Haas abgeschloßen hast, bin ich sehr froh denn ich verzweifelte schon daran, daß du einen Heller bekommen würdest, bei solchen Werken ist nichts zu verdienen als die Ehre*. Von Min: habe ich vor meiner Abreise von Prag noch ein[en] Brief gehabt, aber noch nicht antworten könen. Sie ist immer die alte gute Seele, und hast du Unrecht wenn du ihr Wankelmuth zutrauest. Für die Namenstag Gratulation dank ich, und rufe dir dafür ein herzliches Prost Neujahr entgegen. Es bleibt beim Alten, nicht wahr? dein[en] Brief vom 4[t] Xb erhielt ich den 10ten. Es ist komisch daß die Sage mich jezt überall anstellt, wie du mir von dem Münchner Stunz schreibst*. Wenn sie den Teufel so oft an die Wand mahlen, wird er wohl einmal wirklich kommen. Gott gebe es. in Dresden wäre es glaube ich am besten. und du kannst mich | dann wohl einmal besuchen. Ein Pläzchen für dich wird stets parat sein. daß die ital. Oper so durchgefallen wird den Münchner Sängern ein rechtes Gaudium sein*.      die arme Firmian war also wieder krank? empfiehl mich Ihnen aufs beste, sage aber dem Grafen, ich muß ganz aus der Gnade sein, weil ich bei seinem Aufenthalt in Prag gar nicht das Glück [hatte] ihn zu sehen, welches mich doch sehr gefreut haben würde.      Wenn du nach Hause komst, H: Bruder so sei hübsch fleißig und sezze dich mit Schlesinger gehörig in Verbindung so kannst du alle Jahre ein hübsch Stük Geld verdienen, und so wohl alle Schulden los sein*, als auch deinen Namen gehörig gelten machen.      Beers sind sämmtlich in Rom, gefallen sich da sehr wohl, und werden schwerlich vor dem Frühjahr nach Hause kommen. doch werde ich Ihnen deine Grüße bestellen, da ich ihnen dieser Tage schreibe. in Prag geht es elend! Liebich ist so gut als Todt, es hat sich eine Schuldenlast von 125000 ƒ gefunden die die Stände bezahlen, und das Ganze übernehmen. Graf Clam hat es mir geschrieben. Er sieht jezt ein, daß alles so eintrifft wie ich es voraus gesagt habe. das sind seine eignen Worte.      Ja ja ich habe wohl eine gute Nase und kenne die Menschen.

     

Nun lieber Bruder muß ich schließen. die Post geht. Schreibe mir bald wieder sonst trifft mich der Brief hier nicht. Gott erhalte dich froh und gesund und mir deine Liebe. Ewig dein
treuster Bruder Weber

Apparat

Zusammenfassung

berichtet über seine Tätigkeit seit dem Weggang aus Prag; nennt die während seines Aufenthalts in Berlin enstandenen Kompositionen für Schlesinger sowie einige noch geplante Kompositionen; betr. Caroline Brandt; Austausch über gemeinsame Bekannte; betr. Prager Theaterverhältnisse

Incipit

Meinem Versprechen gemäß muß ich heute ordentlich

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Wien (A), Gesellschaft der Musikfreunde in Wien (A-Wgm)
    Signatur: an Gänsbacher 43

    Quellenbeschreibung

    • 1 Bl. (2 b. S. o. Adr.)
    • am unteren Rand der Versoseite Echtheitsbestätigung von F. W. Jähns (Tinte): „Eigenhändig von C. M. v. Weber.“

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Nohl 1867, S. 259–262 (Nr. 41)

    Einzelstellenerläuterung

    • „… in Dresden ein paar Tage“Laut Tagebuch vom 8. bis 11. Oktober 1816.
    • „… noch nicht ganz bestimmt ist“Den Brief mit der definitiven Anstellungsnachricht aus Dresden erhielt Weber laut Tagebuch am 25. Dezember 1816.
    • „… mal mit dem ausgezeichnetesten Beyfall“Sie gab vom 28. Oktober bis 17. November Gastrollen an den Königlichen Schauspielen (Schauspielhaus und Opernhaus), als Gurly (Die Indianer in England) am 28. Oktober und 11. November; am 31. Oktober als Wilhelmine (Das Räuschchen); am 3. November als Röschen (Röschen, genannt: Aescherling); am 5. November als Base (Das war ich), als kleiner Matrose (Der kleine Matrose), am 9. November als Wilhelmine (Der Schawl), als Julie Fröhlich (Die Verwandlungen); am 13. November als Page (Die Hochzeit des Figaro); am 17. November als Käthe (Welcher ist der Bräutigam?); vgl. Karl Theodor Winkler, Tagebuch der deutschen Bühnen, Jg. 1 (1816), H. 11, S. 337, Nr. 28; H. 12, S. 368–370, Nr. 3, 5, 9, 11, 13, 17.
    • „… des ZeitVerlustes wegen kein Concert“Weber gab im Herbst 1816 zwar kein eigenes Konzert in Berlin, beteiligte sich aber am 7. und 20. November an fremden KonzertenT.
    • „… wo sie 5 mal spielte“Sie gab vom 25. November bis 5. Dezember 1816 Gastrollen im Königlichen deutschen Schauspiel in Dresden; zu ihren Rollen vgl. die Briefe Webers vom 25./26. November, 2./3. und 9. Dezember 1816.
    • „… so wohlverdiente Verzierung deines Knopfloches“Zur Verleihung der großen Civil-Ehrenmedaille vgl. den Kommentar zum Brief an Gänsbacher vom 14. Dezember 1816.
    • „… mit der Oboe zufrieden warst“Zur Vermittlung des Instruments vgl. den Brief an Gänsbacher vom 12. September 1816.
    • „… zu verdienen als die Ehre“Vermutlich bezogen auf Gänsbachers Requiem und dessen Verkauf an den Verlag; vgl. den Kommentar zum Brief vom 11. August 1815 an Gänsbacher.
    • Min:Abk. von „Minette“.
    • „… von dem Münchner Stunz schreibst“Neben den laufenden Verhandlungen Webers bezüglich der Anstellung in Dresden, den stagnierenden in BerlinT und einer entsprechenden Anfrage aus Leipzig (vgl. Tagebuch) kursierten in München offenbar Gerüchte um eine mögliche dortige Anstellung Webers.
    • „… Sängern ein rechtes Gaudium sein“Der Impresario Antonio Cera spielte mit einer eigenen italienischen Operntruppe vom 18. Juni bis 13. November 1816 in München (45 Vorstellungen von 19 verschiedenen Opern von Rossini, Giuseppe und Luigi Mosca, Orlandi u. a.), danach von November 1816 bis März 1817 in Wien. Allerdings waren besonders die Rossini-Opern (L’italiana in Algeri, L’inganno felice, Tancredi, Ciro in Babilonia) auch in München sehr erfolgreich.
    • „… wohl alle Schulden los sein“Zu Gänsbachers Schulden vgl. Webers Brief vom 11. August 1815.

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