Carl Maria von Weber an Caroline von Weber in Dresden
Wien, Dienstag, 5. und Mittwoch, 6. März 1822 (Nr. 8)
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So gehts, kaum ist der Mosje wieder auf den Beinen, so kann er schon keine Zeit mehr finden, an die Weibe zu schreiben. da habe ich mich denn aus dem Joconde geschlichen, nachdem ich durch ein sehr mittelmäßiges Hannchen an ein treffliches errinnert worden*, und finde der geliebten Mukkin No: 6 der mich ganz glüklich durch sein heiteres Gesicht gemacht hat. also die Alte zankt nicht wenn ich länger ausbleibe? nun gut, ich will sehen zu was ich mich alles mit dieser Gewißheit in der Tasche, verleiten laße. Vor der Hand aber bitte ich doch mir nicht mehr auf diesen Brief hieher zu antworten, sondern nach Prag, daß ich dort eine tröstende Herz Stärkung vorfinde. Ehe ich zur Beantwortung deines Briefes gehe, muß ich dir nur sagen, daß ich wieder kreuzwohlauf bin, und mich schone daß es eine Schande ist, mich an den reichlich besezten Tischen sizzen zu sehen, und beim schönsten Wetter im verschloßenen Fiaker hotten. d: 2t Abends nahm ich schon wieder Cour an, und den 3t Früh, strömte es schon wieder. dann ging ich um 12 Uhr in das große Vereins Concert, schlecht genug* — figurirte dann am Tische des Grafen Mnischek. besuchte die noch immer kranke Grünbaum, fuhr dann in, die schöne Müllerin, sehr mittelmäßig* und gieng in Bett nachdem [ich] ein unüberwindliches Gelüstchen nach 2 geselchten Würsteln gestillt hatte*. d: 4t als Gestern. kam 1/2 5 Uhr schon Pixis zu mir, mit dem ich den 2t Akt seiner Oper durchgehen mußte. dann kam Cerini p p p p p p. Mittag aß ich einmal frugal im Gasthofe. gieng auf die Administration wo mein Buch aus der Censur ohne die geringste Änderung gekommen warTT, und Abends war ich in Gesellschaft, bei Fräulein von Caspers. wo ich mein Flöten Trio mit Erfolg spielte*. dann in Bett! Heute früh endlich Probe vom Freyschütz am Klavier bis 2 Uhr. Mittag bei Lannoy, sehr angenehm mit Kastelli, Jeitteles* p p. dann in Jokonde, und jezt? bei der Mukkin. bah! und ihrem herzigen freundlichen Brief, der mich so ganz mit dem lieben Spizbuben Gesicht anlacht, und versichert daß Sie gesund ist, und Mariechen auch*. ich habe auch meine Spione. und habe schon gewußt daß du brav bist, und Hedenus zufrieden ist. Gott sei Lob und Dank. die arme Haase. das hat mich recht erschrekt, Gott erhalte das gute Thierchen. Höre Sie Madam, mit dem Liebhader‡ ist es nichts!!! sonst brauche ich Repreßalien. Nu Nu, werde nur nicht gleich eifersüchtig, hasts nicht Ursache. Es reißt sich zwar alles um mich, aber es will mich Niemand verführen, und die Männe komt so ehrlich nach Hause als sie gieng. nun das versteht sich von selbst.
Das ist entsezlich mit Krankheiten bei Euch. ich bekome nur Angst um dich. halte du dich nur recht brav, und hüte dich ja vor Erkältung und Ärger. wie gehts denn mit der Kristel? Ja, freylich werden Gerstäkkers nirgends zufrieden sein. | Auch an dich habe ich immer viele Grüße zu bestellen.
Also in Dr: geht es schlimm beim Theater? Nun, hier geht es nicht gut. Viel Köche, kein tüchtiger Cheff der das Ganze halten könnte*. aber viel guter Wille bei den Leuten, und ein Publikum, empfänglich und dankbar wie nirgends. auf der heutigen Probe war recht viel Eifer. Morgen ist die General Probe, und Uebermorgen d: 7t endlich die Oper unter meiner Direction. — wenns wahr ist. — vom Theater aus nehmlich. die Schröder hat es zu ihrem Benefiz, und kann da leicht fünf bis 600 # machen. Das ist doch der Mühe werth nicht wahr? das ist recht Schade, daß Morgen der Brief fort muß, und nur der Herr Chaußeè Inspektor von einem Posttage zum andern Angst haben wird, ob sie den Komponisten nicht ausgepfiffen haben.
Daß ich die dikke Lipe nicht sehen kann, halt ich wirklich für einen verlohrenen Genuß. ich möchte ihn wohl sehen was er für Manövres macht, wenn er bitten will und nicht kann. auf die jungen Herrschaften*T freue ich mich. das wird schreyen und krabbeln, und — Wißi machen — —
Also H: Rastrellis Oper wird so gepuzt*. in Gottes Namen, Glük zu, möge es weiter reichen als bis ans schwarze Thor*. Frau Weißheit sie denkt wohl daß man in Wien ganz dumm wird? allerdings habe ich an den Geh: Rath geschrieben. Die Comißion mit dem türkischen Tuche*, macht mir aber viel zu schaffen. Die Dinger sind theuer! — ! Ui! und am Ende gefällts ihr nicht einmal. Nun weiß ich nichts mehr. trink meinen Thee und gehe ohne Nachteßen in Bett.
rufe Gottes Seegen auf die Weibe und Mariechen* herab, gebe beiden gute + + +, und grüße alle Freunde herzlich. Gute gute Nacht. geliebtes Leben.
Geschwind geschwind Brief zumachen und auf die Pozt. Heute früh war [ich] wieder beim Prinz Friedrich. glaubs auch daß er mich lieb hat.
Dann GeneralProbe vom Freysch: nachdem ich der Kapelle präsentiert war, und ein paar Worte gesagt hatte, gieng ich ins Orchester. So wie ich auf dem Direktions Plaz ankam, erscholl ein Tusch von Trompeten und Pauken, und alle Sänger*, Chöre und Orchester brachten mir ein Jubelndes Lebehoch, was mich sehr rührte. Die Probe gieng vortrefflich. |
Dann noch Visiten wegen meinem ConcertT. und Mittag bey Graf Festetisch bis jezt*. Morgen also geht es los. und ich hoffe gut. Man sieht so etwas den Leuten gleich an. also habe ich jezt der Mukkin nichts weiter zu sagen. ich habe immer einen GeneralStab von den 1t Künstlern um mich, und darf nur winken so fliegt schon alles. Schwarz antwortet auf alle Billette diech‡ ich bekomme p p
also ade, mein vielgeliebtes Herz. Gott gebe daß dich diese Zeilen so gesund und heiter treffen als ich es wünsche, und sie mich verlaßen.
ich gebe dir nochmals gute + + +. behalte mich lieb, und glaube daß über alles dich liebt dein Carl
Millionen Bußen [Kußsymbol]
herzliche Grüße an Alle.
Apparat
Zusammenfassung
Wiener Tagebuch vom 2. bis 6. März (Theaterbesuche, Konzerte, Gesellschaften); am 6. Bericht über Generalprobe des Freischütz
Incipit
„So gehts, kaum ist der Mosje wieder auf den Beinen“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Eveline Bartlitz
Überlieferung
-
Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
Signatur: Weberiana Cl. II A a 3, 10Quellenbeschreibung
- 1 DBl. (4 b. S. einschl. Adr.)
- Siegel
- Bl. 2v (Adresse) Rundst.: WIEN
- Am linken Rand Bl.2v von Jähns (Tinte): „Carl Maria von Weber an seine Gattin, eigenhändig.“
- Rötelmarkierung von Max Maria von Weber
Provenienz
- vermutlich zu jenen 60 Weber-Briefen gehörig, die Max Maria von Weber Anfang 1854 an Friedrich Wilhelm Jähns verkaufte; vgl. Max Jähns, Friedrich Wilhelm Jähns und Max Jähns. Ein Familiengemälde für die Freunde, hg. von Karl Koetschau, Dresden 1906, S. 403
Dazugehörige Textwiedergaben
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Kapp, Julius: „Der ’Freischütz’ in Wien“ in: Die vierte Wand. Magdeburg 1927, Nr. 14/15 (14. Mai 1927), S. 42–43
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tV: MMW II, S. 423 [Auszug]
Themenkommentare
Textkonstitution
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„gegen Recepisse“durchgestrichen
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„Liebhader“sic!
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„diech“sic!
Einzelstellenerläuterung
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„… an ein treffliches errinnert worden“In der Wiener Hofoper (Kärntnertortheater) sang Betty Vio das Hannchen; in Prag war dies die Rolle von Caroline Brandt gewesen (Premiere 11. Januar 1816).
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„… Vereins Concert , schlecht genug“Das Programm des mittags stattfindenden 3. Konzerts der Gesellschaft der Musikfreunde im großen Redoutensaal der Hofburg hielt Matthias Franz Perth in seinen Tagebuchnotizen fest; vgl. Weber-Studien, Bd.8, S. 451. Vgl. auch AmZ, Jg. 24, Nr. 19 (8. Mai 1822), Sp. 305.
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„… 2 geselchten Würsteln gestillt hatte“Laut Tagebuch wohl Verwechslung mit dem 4. (nicht 3.) März.
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„… angenehm mit Kastelli , Jeitteles“Fraglich, ob Ignaz oder Aloys Jeitteles. Laut Tagebuch gehörte auch Joseph Sellner zu den Gästen.
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„… gesund ist, und Mariechen auch“Kosename für das ungeborene Kind, Max Maria von Weber wurde am 25. April 1822 geboren.
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„… der das Ganze halten könnte“Die Wiener Hofoper wurde nach Abschluss des Pachtvertrags mit Barbaja (Ende 1821) gemeinsam mit dem Theater an der Wien von einer Administration geleitet, der neben dem Pächter auch Graf Pálffy, Administrator Duport und Graf Gallenberg angehörten. Weber bedauerte, dass die vorherige Hoftheater-Direktion (Dietrichstein und Mosel) nunmehr nur noch für das Schauspiel im Burgtheater zuständig war.
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„… kann. auf die jungen Herrschaften“Anspielung auf die zu erwartenden Welpen der Hündin Aliza.
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„… Comißion mit dem türkischen Tuche“Weber sollte für Luise von Könneritz in Wien türkische Stoffe erwerben; vgl. Webers Briefe an Hans Heinrich von Könneritz vom 27. Februar und an Caroline von Weber vom 11. bis 13. März 1822.
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„… auf die Weibe und Mariechen“Kosename für das ungeborene Kind. Max Maria von Weber wurde am 25. April 1822 geboren.