Carl Maria von Weber an Caroline von Weber in Dresden (Fragment)
Wien, Montag, 11. bis Mittwoch, 13. März 1822 (Nr. 10)
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Nachmittags. Endlich kann ich wieder einmal zu der Mukkin kommen, und erzählen. Ach Gott, könnte ichs doch schon mündlich, mag schon gar nicht mehr schreiben. Nachdem ich vorgestern d: 9t meinen Brief an dich abgeschikt hatte, kutschte ich ins Theater um meine Oper zum 2t mal zu dirigiren*. ich wurde wieder mit Enthusiasmus empfangen. jedes Musikstük aplaud: und ich am Ende herausgerufen. dann ging ich nach Hause in Bett, denn ich habe einen tüchtigen Schnupfen und Katharr.
Gestern Sonntag dirigirte ich Mittags in Böhms Concert meine Jubel OuvertureT. wurde eben so Jubelnd empfangen als entlaßen. dann war ich zu Tische bei der Schröder mit Kostenobels, Anschützens, Forti, Rösner, dem Theater Sekretair Koppelwieser, am Ende des Dinèrs mußte eine der jüngsten Töchter beifolgendes Gedicht hersagen, und mir einen schönen Kranz von frischen Blumen reichen*. Das freute mich sehr, und wie gewöhnlich ward der Weibe Gesundheit getrunken und gejammert daß sie nicht da sey. dann ging ich aber nach Hause, und muß jezt mich ein paar Tage zu Hause halten. ängstige dich aber ja nicht mein geliebtes Leben, es ist auf Ehre weiter nichts als was ich dir hier schreibe. der alte Kizzel im Halse hat sich mit einem tüchtigen Schnupfen verbunden, und macht mich wie sonst, besonders in der Früh tüchtig husten. Nun sind aber die Menschen so über alle Maaßen besorgt um mich, daß nur nichts ärgeres daraus entstehen könne, daß ich schon folgen und ein paar Tage zu Hause bleiben muß. ich bin ohne Fieber, habe den Kopf frey, und brauche nicht im Bette zu liegen, schlafe auch sehr ruhig, Wißi ist ganz klar. ich mache Umschläge um den Hals, athme Dämpfe ein, und saufe Gerstenschleim, Mandelmilch pp zum speyen — du kannst nicht glauben meine gute Alte wie pünktlich, und trefflich ich gepflegt werde. aber eben deßhalb wollen mich die guten Leute auch nicht eher fort laßen, als bis sie glauben mich ganz gefahrlos reisen laßen zu können. und dagegen kann ich vernünftigerweise nichts haben, so sehr mich schon die Ungeduld verzehrt, in meines geliebten Weibleins Armen ruhen zu können; und weil ich mich sehr ängstige daß du dich ängstigen möchtest. aber nein, die Weibe weis wohl daß ihr Carl ehrlich ist, und daß man ihm glauben kann, besonders wenn er so einen Trumpf darauf gesezt hat. Wahrhaft komisch ist meine Unterhaltung mitunter. ich soll nun eigentlich nichts reden. und doch komen nun zahllose Menge Besuche. Schwarz steht also wie der Engel mit dem flammenden Schwert neben mir, und antwortet für mich. schreibt Billette, läuft, rennt, besorgt alles. Nur auf solche Art ist es möglich daß mein Concert d: 14t zu Stande komen kann. ich thue nichts als Mittwoch Nachmittag probiren und Donnerstag Mittag spielen. wenn das nun mein dummer Chattarr nicht übel nimmt, werde ich schnellstens im Wagerl sizzen und fortkutschen, verschlimmert er sich aber wieder, so muß ich freylich noch ein paar Tage im Zimmer bleiben, ehe ich reise. ich dachte schon mit No: 10 schließen zu können. und, was das traurigste ist, ist daß ich nun keinen Brief mehr von dir bekome, als über|morgen, weil ich so gewiß glaubte d: 15t abkratzen zu können.
Duport sagte mir gestern galant, es müße doch auch etwas geben das mich errinnerte ein Mensch zu sein. – jezt will ich wieder einmal Dampf schnappen. — Abends. Die Arie ist gekomen, und mit ihr deine guten Bußen. der Schwarz lachte mich recht aus als ich das BriefCouvert aufriß und bußte. schadt nichts den Flek hat meine Lina auch gebußt. Waren wieder viele viele Besuche da. auch Grünbaums die Gestern ihr Benefiz mit der Donna del lago hatte. es war voll, aber das Publikum empfieng sie nicht einmal, und dagegen desto wärmer die andern Sänger*. es ist eine himmelschreyende Ungerechtigkeit gegen sie als Künstlerin, ich habe sie gestern in dem Concert trefflich gehört*. sie ist die einzige hier die singen kann. — aber ihr Betragen — nun das verspahre ich mir zur mündlichen Relation. Wagner aus Darmstadt hat mir geschrieben daß H: Zulehner in Mainz meinen Freyschützen für 15# ausbiete. an diesen Mosje Dieb will ich ein artig Brieflein schreiben.
In Kopenhagen wird also jezt schon die Oper einstudirt*. man schreibt mir Prof. Öhlenschläger hat das Stük sehr glüklich übersezt; um jedoch die Teufels Maske des Samiel etwas zu mildern, hat er ihn als das böse Fatum, als den Rächer und Vergelter des Bösen aufgestellt, und als Gegenstük zu ihm tritt Titania als Beschützerin der Unschuld auf. Diese beiden haben eine neu hinzugefügte Scene, übrigens ist nichts verändert. — Titania in den böhmischen Wäldern?!! nach dem 30jährigen Kriege?!! nun wer weiß. vielleicht hat sie wieder Händel mit Oberon gehabt, und ihn als Markedenterin‡ mitgemacht; ja am Ende ist die Gustel von Blasewitz* die Titania eben gewesen. O ihr Götter!!! nun meintwegen. Der Dr: war heute Abend hier um zu sehen ob selbst Abends kein Fieber käme. Nitz! es ist ihm nicht recht, denn er sagt das Verzögere die Heilung wenn die Natur nicht selbst gegen den Krankheitsstoff revoltire. wenn das ist, möchte ich Fieber zum sieden und schütteln haben.
Spermazety* die Nacht um den Hals. Schmieralien über die Nase. Fußbad, Haue und in Bett. aber erst, Supperl. es schmekt mir zwar alles wie Stroh, aber ich habe doch heute Mittag, Suppe ein klein bischen Rindfleisch mit Radieschen, und Kalbsbraten mit Äpfel gegeßen.
Nun habe ich aber getreu genug referirt, und will mich wieder mit Nichtsthun beschäftigen wies befohlen ist. Gute gute Nacht, mein über alles geliebtes Leben + + + Mariechen* auch +. Liza hats wohl nun überstandenT. gute gute Nacht, behalte mich lieb und ängste dich nicht. Ewig dein Carl.
d: 12t Guten Morgen geliebtes Herz. ist zwar schon etwas spät, denn ich habe eine sehr gute Nacht gehabt, und gedunstet, so daß ich erst gegen 12 Uhr aufstehen konnte. und nun hats schon allerley zu thun gegeben, Duport war hier, und viele Andre, die laßen mir keine Ruhe ich muß das Concert | verschieben. da ist denn hin und her geschikt worden, und Sonntag d: 17t bestimmt. dieß ist eigentlich der beste Tag, aber ich nahm ihn früher deßhalb nicht, weil es mir zu spät war. fort, fort; wollt ich. Aber erkennst du nicht wieder meinen Stern? hier wo mir alles so hülfreich entgegen komt, muß ich selbst das Hinderniß sein. ich glaube also fast ich werde ein gutes Concert machen. Der Dr: war heute wieder sehr mit mir zufrieden, erklärte aber er könne es den Wiener Ärzten nicht nachsagen laßen, daß sie dumme Streiche machten, ich müße also schon aushalten bis er mich frey spräche. o heilige Geduld verlaße mich nicht. das ewige gepantsche, aufgelege pp ist recht langweilig; aber ich bin so folgsam, wie ein Lämchen, weil ich hoffe dadurch eher los zu kommen. du würdest lachen müßen, wenn du sähest wie ich auf der Stirn und über der Nase von Kakao Butter glänze — — dazu ein sehr schöner langer Bart.
Nachmittags. Nun da haben wirs! hätts mir wohl denken können habe aber doch meine Frau ein bischen vernünftiger gehofft, ja ja, freilich zanke ich, und das recht ernstlich, denn ich habe mich wahrhaftig recht geärgert. Was wirds erst werden wenn dieser Brief komt? herreisen? nun, das wäre nicht übel; unterwegs unglüklich sein, vielleicht sterben, ich unterdeßen gesund vorbey reisen p o Himmel was fallen mir da alles für entsezliche Möglichkeiten ein. Sie hört daß ich den andern Tag wieder ausgehe, und ängstigt sich noch. Schwarz hat es auch recht übel genommen, daß du ihm zutrauen könntest so einfältig über das Wichtigste im Leben scherzen zu hören. endlich bist du selbst so vernünftig zu bemerken daß die Welt alles Schlimme nur gar zu gerne vergrößert, und läßt dich doch dadurch irre machen. Gestern besuchte mich Lembert zum erstenmal, und erzählt mir, er habe es gleich an Winkler geschrieben, wie er gehört ich sey so krank. Da sagte ich gleich zu Schwarz, geben Sie acht, das erfährt meine Alte gleich, in nichts sind die Menschen fixer, als wenn sie was übles berichten können. aber ich beruhigte mich gleich wieder in dem ich dachte, nun die Lina hat ja meinen Brief. daß sie aber auch mir nicht glaubt, ist doch himmelschreyend. kaum hatte ich deinen Brief gelesen, als ein Musiker von hier mit seinem Kinde in höchstem Jammer kam, und fast mir zu Füßen fiel, weil er auch am Sonntag ein Konzert giebt auf das er sein ganzes Glük und Existenz baut*, was natürlich zerstört ist, wenn ich es mit ihm zur gleichen Zeit gebe. was ist da zu thun. ich bin noch ganz unentschloßen. auf jeden Fall will ich den Mann nicht unglüklich machen, und lieber ohne Concert abreisen. Die Hautpsache ist jezt einmal daß ich mich ordentlich schone, und den dumen Schnupfen und Husten abwarte, damit ich sicher und gesund die Reise antreten kann.
Es ist dein Glük, Alte! daß ich immer so zwischen ein, Thee, Schleim, Medizin nehme, und Umschläge machen muß, da kühlt sich meine Wuth etwas ab, sonst hättest du in einem Strom fürchterliche Haue‡ gekriegt. Nun tröste ich mich damit, daß die | folgenden 2 Briefe wieder gehörige Pflaster gewesen sein werden. Aber nun freylich, dieser!! bitte dich um Gotteswillen liebes Weib sei ruhig, du glaubst nicht was es mir schadet, wenn ich mich so um deine Angst ängstigen muß. und leider kann ich nun auf diesen Brief nicht mehr hier erfahren in wie fern er dich quält, oder du der Vernunft Gehör giebst.
Ich habe mirs überlegt. Antworte mir immer auf diesen Brief hieher. denn wen der Himmel mich wirklich so hart strafte daß ich bis d: 23t hier bleiben müßte, so hätte ich doch noch den Trost einer Nachricht von dir und deinem Befinden. und bin ich schon fort, so kann mir ihn Schwarz nachschikken, und es ist nichts verlohren als ein bißel Porto, und Er:‡ Gnaden Mühe. Auch schreibe ich Morgen nach Prag daß mir Ballabene deinen Brief herschikt, den krieg ich auf jeden Fall noch. ich bin ganz fidel über diesen Einfall. Aber wißen Sie verehrter Schneefuß daß sie sehr wenig schreiben? Der H: Geheim Rath hat mir viel länger und ausführlicher geschrieben. Freylich die Wochenbett Geschäfte der Madam Liza. ich bin froh daß das arme Vieh es überstanden hat troz seinem Bruch. Also 4 Stük erwarten mich. das mag eine schöne Zucht sein. Snuff kann ich mir sehr komisch dabey denken. beißt Ali nicht nach ihm?T
Allerdings fahre ich immer, so bald ich nehmlich wieder ausdarf. Der arme Bruder. — die Frau Geh.Räthin soll sich nicht so auf das Tuch freuen, was nur einigermaßen tadellos ist, kostet über 1200, – 1500 f W: W: und die schönern 500 bis 600 f Conv. Münze. ich werde also lieber nichts bringen, als viel Geld für einen Fezzen der sie nicht freuen könnte ausgeben*.
Nun gute Nacht für heute. und Morgen habe ich noch allerley Briefe zu schreiben, da wirds nicht viel mehr werden. Nochmals beschwöre dich bei allem was dir heilig ist, sei ruhig und bedenke deine Pflichten gegen Mariechen* und mich. ich athme frey, und habe troz dem vielen Husten nicht einmal Brustwehe. also nur Geduld, und Ergebung in Gottes Willen, der ja immer alles noch zu unserm Heile lenkt. an Schwarzens schreibe doch ja, auch, du glaubst gar nicht wie unendlich sorgfältig ich gepflegt werde, und wie es eigentlich nur ihre übertriebene Sorgsamkeit ist, die mich so gefangen hält. gute, gute Nacht + + + Mariechen auch +
Ewig dein dich über alles liebender Carl.
d: 13t 12 Uhr. guten Morgen geliebte Mukkin! hast du gut geschlafen? ich, vortrefflich, das ist ein großes Glük, daß mich der Husten bei der Nacht in Ruhe läßt. Aber in der Früh da gehts wieder los, wie du es ja kennst. Heute ist aber doch der Kizzel etwas geringer. Die Maler, und Instrumentenmacher bringen mich fast um. der eine will mich zur Ausstellung malen | [Briefende fehlt]
Apparat
Zusammenfassung
Bericht über die geplante Kopenhagener Freischütz-Aufführung mit szenischen Änderungen, über Verschiebung seines Konzerts wegen seiner Krankheit, versucht, die Ängste seiner Frau seinetwegen zu zerstreuen
Incipit
„Endlich kann ich wieder einmal zur Mukkin“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Eveline Bartlitz
Überlieferung
-
Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
Signatur: Mus. ep. C. M. v. Weber 158Quellenbeschreibung
- 1 DBl. (4 b. S. o. Adr.)
- Schluss fehlt
- Rötelmarkierungen von Max Maria von Weber
Dazugehörige Textwiedergaben
-
MMW II, S.426–427 [Auszug]
Themenkommentare
Textkonstitution
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„… gehabt, und ihn als Markedenterin“Weber hat das Wort „verschlimmbessert“, es war zuvor richtig geschrieben
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„… in einem Strom fürchterliche Haue“dreifach unterstrichen
Einzelstellenerläuterung
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„… Kranz von frischen Blumen reichen“Vgl. zu dieser Gesellschaft auch die Schilderung durch Costenoble in: Weber-Studien, Bd.8, S. 461f.
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„… desto wärmer die andern Sänger“In der deutschsprachigen Aufführung (als Das Fräulein vom See) in der Hofoper (Kärntnertortheater) am 10. März „Zum Vortheile der Madame Grünbaum“ sangen: Jäger – Jakob V., Forti – Douglas, T. Grünbaum – Helene, Rosner – Roderich von Dhu, Schütz – Malcolm Graeme, Bondra – Albina, Weinkopf – Seran, Hr. Prinz – Bertram.
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„… in dem Concert trefflich gehört“In Joseph Böhms Konzert im landständischen Saal am 10. März sang Therese Grünbaum eine Rossini-Arie (vgl. den Bericht in der AmZ).
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„… jezt schon die Oper einstudirt“Diese Informationen entnahm Weber wohl dem Brief von L. Zinck, den er laut Tagebuch am 9. März erhalten hatte. Die Kopenhagener Erstaufführung der Oper (unter dem Titel Jægerbruden) fand am 26. April 1822 statt.
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„… ist die Gustel von Blasewitz“Marketenderin in Wallensteins Lager.
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„… Spermazety“Aus Sperma (Spermaceti) des Wales (Walrat) gewonnenes Medikament gegen Halsentzündung.
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„… Leben + + + Mariechen“Kosename für das ungeborene Kind, Max Maria von Weber wurde am 25. April 1822 geboren.
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„… ganzes Glük und Existenz baut“Am 17. März 1822 debütierte im landständischen Saal in Wien die zehnjährige Pianistin Antonia Oster (auch Antonie Osten, 1811–1828); vgl. u. a. AmZ, Jg. 24, Nr. 19 (8. Mai 1822), Sp. 307.
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„Er:“Abk. von „Euer“.
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„… sie nicht freuen könnte ausgeben“Zum Auftrag an Weber, für Luise von Könneritz in Wien türkische Stoffe zu erwerben, vgl. Webers Briefe an Hans Heinrich von Könneritz vom 27. Februar und an Caroline von Weber vom 5./6. März 1822.
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„… bedenke deine Pflichten gegen Mariechen“Kosename für das ungeborene Kind. Max Maria von Weber wurde am 25. April 1822 geboren.